Im Bann der Macht: Theater als Spiegel der Gesellschaft
Im Rahmen der Ausstellung «Was Macht mit uns macht» präsentierte die Improvisationstheatergruppe act-back am Donnerstagabend im Vögele Kulturzentrum einen Abend unter dem Motto «Machtspiele».
Sowohl wer interessiert daran war, das eigene Handeln zu reflektieren und den persönlichen Alltag unter diesem Gesichtspunkt unter die Lupe zu nehmen als auch wer sich gern mit den ganz grossen Machtfragen unserer Zeit auseinandersetzt, kam an diesem Abend in Pfäffikon voll auf seine Kosten. Von mikrokosmischen Machtkämpfen im Privaten wie, wer das Hotel des nächsten Urlaubs bucht oder die Position des Sofas im Wohnzimmer bestimmt, bis zu den Gründen für das Erstarken von autokratischen Systemen in der Welt wurden Themen aus allen Lebensbereichen erörtert.
Eine Formation des Theaters act-back aus Zürich unter der Leitung von Regisseur Franz Dängeli, bestehend aus den Schauspielenden Silvan Diener, Klara Rensing und Doris Schefer gab mit improvisierten Sequenzen aus den drei Kontexten, Familie, Beruf und Politik Denkanstösse. Diese wurden durch den designierten Rektor der Universität Luzern, Martin Hartmann, der als Professor für Praktische Philosophie tätig ist, im Austausch mit Dängeli analysiert und weitergesponnen.
Vertrauen und Macht als Geschwister
Eröffnet wurde der Abend mit einer spontan arrangierten Situation, in der eine Frau mit ihrer Partnerin über das Treffen von Entscheiden, die sich im Alltag unmittelbar auf beide auswirken, streitet. Darin schuf Schefer immer sofort Fakten und entschied beide betreffende Angelegenheiten eigenmächtig, was Rensing als übergriffige Grenzverletzung ihrer Autonomie empfand. Hartmann wiegelte ab, dass er darin keine im eigentlichen Sinn problematische Machtkonstellation erkenne, sondern eher ein Problem mit Vertrauen, einem nahen Verwandten der Macht, sehe.
Durch diese Aussage wurde ein fliessender Übergang zur zweiten, aus dem Moment entstehenden, Episode geschaffen. Diese zeigte auf, welche ungeahnten Herausforderungen moderne Führungsstrukturen mit sich brin-gen können. Als Vorgesetzte eröffnete Schefer, sichtlich mit sich ringend, ihrem Angestellten Diener, zu dem sie in einem engen kollegialen Verhältnis gestanden hatte, dass aus der erhofften Beförderung leider nichts werde und sie und das Auswahlgremium sich für eine externe Kandidatin entschieden hätten. Davon ist der seit Jahren engagierte Diener gekränkt und droht mit der Kündigung. Hartmann konstatierte: «Vermeintlich flache Hierarchien ermöglichen eine subtilere Art der Machtausübung, weil es sich um Macht handelt, die man nicht artikulieren darf, und die quasi durch das Duzis gedeckelt ist.» In der heutigen Zeit von New Work werde nicht nur eine fachliche Leistung gefordert, sondern auch das Suggerieren von Gefühlen und eine Identifikation mit dem Arbeitgeber, was manchmal den Verlust von gesunder Distanz zur Folge ha-ben könne.
Das Streben nach Einfluss
Zur Abrundung des Abends kam das Feld der Politik aufs Tapet, in der Diener als frisch gewählter Spitzenpolitiker eine Entscheidung aufgrund der Parteilinie gegen seine eigenen Überzeugungen und Wahlversprechen mittragen muss. Es wurden die Integrität von Volksvertretern, das Durchsetzen unpopulärer, aber notwendiger Massnahmen etwa zum Schutz des Klimas und die Faszination für Diktaturen thematisiert. Machtexperte Hartmann hob hervor: «Wir müssen anerkennen, dass wir in einer Demokratie andere brauchen, um Entscheide zu treffen. Wenn andere nicht partizipieren, schwindet unsere eigene Macht.» Er hielt einen Appell, mehr Beschlüsse aufgrund aufrichtiger Überzeugungen zu fassen und weniger aus wahltaktischen Motiven zu agieren. Am Anlass standen nicht nur Experte, Regisseur und Schauspielende im stetigen Dialog, sondern auch das Publikum wurde einbezogen und tat seine Meinung, etwa zu den Stopp-Rufen des Spielleiters Dängeli zur Beendigung der Szenen, rege kund. Die unfassbare Flexibilität und die prägnante Ausdrucksweise der Akteure mach-ten den Abend zu einem intellektuellen Erlebnis der Spitzenklasse voller Dynamik, in dem ein lustvoller Zugang zu Perspektivenwechseln und neuen Denkweisen geboten wurde.