«Bisons»-Star Maxime Valvini: Vom Tonassistent zur Hauptdarsteller
In «Bisons», dem neuen Film von «Platzspitzbaby»-Regisseur Pierre Monnard, spielt Maxime Valvini einen Milchbauern, der zu ungewöhnlichen Mitteln greift, um den Familienhof zu retten. Keystone-SDA hat den Schauspieler zum Gespräch getroffen.
An welchen Schweizer Schauspieler würde man bei dieser Rollenbeschreibung spontan denken:
Steve Chappuis ist ein introvertierter Milchbauer aus dem waadtländischen Jura und nebenbei ein talentierter Schwinger, der sich Chancen auf den Meistertitel ausrechnen darf. Mehr schlecht als recht versucht er zusammen mit seiner frisch verwitweten Mutter den Bauernhof der Familie am Laufen zu halten, und lässt sich von seinem etwas zwielichtigen Bruder dazu überreden, für viel Geld an illegal organisierten Kämpfen in Frankreich teilzunehmen.
Wohl an niemanden, bevor man nicht Maxime Valvini in «Bisons» in seiner ersten Filmrolle gesehen hat. Am Tag der Weltpremiere des Films während der 59. Solothurner Filmtage erinnert sich der Schauspieler im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA daran, wie er vor einigen Jahren von einem Freund gefragt wurde, ob er mit Pierre Monnard ein paar Testaufnahmen für ein Filmprojekt machen wolle. Valvini sagte zu. Die beiden verstanden sich, die Aufnahmen kamen gut.
Tonassistent und Kämpfer
Valvini ist kein Fremder im Filmgeschäft. Seit einem guten Jahrzehnt arbeitet er als Tonassistent, betreibt aber auch Kampfsportarten wie Jiu-Jitsu auf professionellen Niveau. In seiner Jugend kam der Romand Valvini auch mit dem lutte suisse, dem Schwingen, in Berührung.
Die Idee von «Bisons» und der Figur von Steve nahm nach und nach Form an. Und obschon Valvini zuvor noch nie vor der Kamera gestanden hatte, sprach insbesondere seine Kampfsporterfahrung dafür, die Rolle mit ihm zu besetzen. Es sei nämlich fast unmöglich, meint Valvini, jemandem in kurzer Zeit die Bewegungen und das Körpergefühl eines Kämpfers so beizubringen, dass es echt aussehe.
Valvini begann sich schon vorzubereiten bevor er die Rolle definitiv hatte: «Es kam für mich überhaupt nicht in Frage, am ersten Drehtag auf dem Set zu erscheinen, ohne perfekt vorbereitet zu sein.» Eine gute Erfahrung wären die Vorbereitungen in jedem Fall gewesen, selbst wenn sie ihn am Ende nicht genommen hätten. Doch Monnard war von Valvinis Einsatz beeindruckt und gab ihm schliesslich die Rolle. «Das Training, die Vorbereitung auf eine Sache hin, hat mich schon immer extrem fasziniert – fast mehr als die Sache selbst.» Es ist eine Aussage, auf die er während des Gesprächs mehrmals zurückkommt.
Viel Vorbereitungsarbeit
So war die mangelnde Schauspielerfahrung für Valvini auch ein willkommener Vorwand für noch mehr Vorbereitungsarbeit. «Das Kreieren einer Figur – ihre Art zu denken, zu sprechen, sich zu bewegen – all das interessiert mich enorm. Zu verstehen, wer dieser Steve ist und wie er zu seiner Familie steht, zu sich selbst, zu den Tieren.» Valvini vertiefte sich in das Drehbuch, führte lange Diskussionen mit Monnard und traf zudem jede Woche den Schauspieler Bruno Todeschini, um an Schauspieltechniken zu arbeiten.
Bei seiner Arbeit als Tonassistent habe er bereits zehn Jahre lang die Gelegenheit gehabt, zahlreichen Schauspielerinnen und Schauspielern bei der Arbeit zuzuschauen, «sowohl den guten wie den schlechten.» Die letzten zwei Wochen vor Drehbeginn verbrachte er auf dem Hof, wo ein grosser Teil der Filmhandlung stattfindet. Mit allen da anfallenden Arbeiten, vor allem mit den Tieren, habe er sich Steves Leben auf dem Hof quasi körperlich «angeeignet».
Und wie sieht es mit dem anderen zentralen Aspekt von Steves Geschichte aus, den Kämpfen und der Gewalt? «Ich kann Steves Entscheidung gut nachvollziehen. Ich kann mir auch vorstellen, sie in gewissen Situation selber zu treffen.» Wenn er plötzlich dringend Geld bräuchte und dann jemand käme und ihm 1000 Franken anböte, um gegen jemanden zu kämpfen, würde er vielleicht auch zusagen.
Jeden Tag Training
«Ich kämpfe viel, ich trainiere jeden Tag, ich schaue mir viele Kämpfe an – ich wäre dazu durchaus fähig», sagt Valvini. Und er findet die Art der Kämpfe, wie sie im Film gezeigt werden, an sich nicht verwerflich: «Im Gegensatz zu willkürlichen Kämpfen auf der Strasse gibt es Regeln – und es gibt jemanden, der ‘Stop’ sagt.» Natürlich gäbe es auch Risiken, aber man kann davon ausgehen, dass jeder aus mehr oder weniger freien Stücken an ihnen teilnimmt. Wie auch im Film: Steve trifft seine Entscheidung zwar ohne Lust, beinahe widerwillig – aber er trifft und akzeptiert sie.
«Bisons» zeigt die Schattenseiten von Steves Entscheidung: die Auswirkungen auf ein verständnisloses Umfeld, das Risiko, sich ernsthaft zu verletzen, die Möglichkeit, nicht nur zu gewinnen sondern auch alles verlieren zu können. Aber er zeigt auch die hypnotische Faszination der Gewalt. Der erfahrene Kämpfer Valvini muss es wissen: «Fast nirgends sonst ist man so nahe am Leben. Während einem Kampf gibt es nichts anderes. Alle Probleme verschwinden im Hintergrund, wie in einem Schwarzen Loch. Das hat etwas sehr archaisches.»
*Dieser Text von Dominic Schmid, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.