Anwältin fordert in Mels Freispruch für Tötungsdelikt mit Schirm
Ein Mann hat in Mels am Donnerstag vor Gericht von Erinnerungslücken gesprochen. Ihm wird vorgeworfen, 2022 einen 45-Jährigen mit einem Schirm tödlich verletzt zu haben. Das Urteil folgt.
«Nein, ich habe keine Erklärung für meine Handlungen», antwortete der Beschuldigte am Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland auf eine Frage eines Richters. Noch nie zuvor habe er einen solchen «Blackout» gehabt. «Ich muss damit umgehen. Es ist extrem schlimm, es tut mir leid und es belastet mich sehr.»
Mit Regenschirm in beide Augen gestochen
Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann vor, nach starkem Alkoholkonsum einem damals 45-Jährigen Italiener mit einem Regenschirm in beide Augen gestochen und ihn so tödlich verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht von 1,2 bis maximal 2,1 Promille Alkohol beim Beschuldigten aus. Wegen des hohen Alkoholgehalts im Blut sei er nicht schuldfähig, so die Staatsanwaltschaft.
Der Beschuldigte sei zur Tatzeit wegen seines Alkoholkonsums nicht zurechnungsfähig gewesen. Dass es soweit gekommen sei, habe er selber verschuldet, sagte der Staatsanwalt weiter. Er fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Beschuldigter sprach von «panischer Angst»
Der Schweizer, der mittlerweile an einer Universität Rechtswissenschaften studiert, kann sich gemäss eigenen Aussagen an weite Teile seiner Handlungen nicht mehr erinnern. Vor dem Gericht sprach er von einer «panischen Angst», die er gehabt habe. Dies, weil das Opfer ihm gegenüber aggressiv geworden sei.
Der 45-Jährige habe ihn ans Geschlechtsteil gefasst und am Verlassen des Zimmers gehindert. Dort waren die beiden während der Fasnacht aufeinandergetroffen. Zudem habe ihm der Italiener ins Gesicht geschlagen.
Das Gericht hatte jedoch Zweifel an dieser Argumentation. Ein Gutachten habe festgestellt, dass der Beschuldigte keine schweren Verletzungen gehabt habe. Zudem sei die Gewalt primär von ihm und nicht vom Opfer aus gegangen, so das Gericht.
«Das entspricht nicht meiner Wahrnehmung», entgegnete der Student. In seiner Erinnerung habe er Atemnot gehabt und sich bedroht gefühlt. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, wie er in das Zimmer gekommen sei.
Nicht Alkohol, sondern K.O-Tropfen
Die Anwältin des Beschuldigten argumentierte, dass der junge Mann tatsächlich schuldunfähig sei. Allerdings sei der Grund dafür nicht selbstverschuldet. Stattdessen geht sie davon aus, dass ihm eine Substanz, etwa K.O-Tropfen, verabreicht worden sei.
«Fakt ist, der Beschuldigte befand sich in einem völlig abnormalen Zustand, den er vorher noch nie erlebt hatte.» In seiner Wahrnehmung habe er um sein Leben gekämpft. Alkohol habe er auch bei früheren Gelegenheiten konsumiert. Noch nie sei er aber aggressiv geworden.
Der Beschuldigte sei daher freizusprechen. Zusätzlich forderte die Anwältin, dass der Studend bei einem allfälligen Freispruch für die Zeit in Untersuchungshaft entschädigt wird. Der Anwalt der Opferfamilie forderte ein neues psychiatrisches Gutachten zum Beschuldigten. Grund dafür waren Aussagen einer Zeugin.
Zeugin beschreibt Beschuldigten als «ruhig»
Diese Zeugin sagte aus, dass sie den Beschuldigten in einer Bar an der Fasnacht länger beobachtet habe. Er habe dabei ruhig gewirkt und für eine gewisse Zeit keine alkoholischen Getränke konsumiert.
Auch an den Aussagen des Beschuldigten zweifelte der Opferanwalt. Der junge Mann sei dem 45-Jährigen körperlich überlegen gewesen. «Der Beschuldigte hatte mehrmals die Möglichkeit, sich von der angeblichen Auseinandersetzung zu entfernen», sagte der Anwalt.
Zum Schluss der Gerichtsverhandlung wandte sich der Student an die Familie des Opfers: «Es tut mir sehr leid, was passiert ist. Ich würde den Hinterbliebenen gerne mehr Antworten geben, aber ich kann nicht.» Das Gericht wird das Urteil am Freitag um 14 Uhr eröffnen.