Transfrau macht nach Messerangriff in Zürich Notwehr geltend

Eine als Prostituierte tätige Transfrau hat im März 2023 auf einen Freier eingestochen: Während die Staatsanwältin am Donnerstag vor dem Zürcher Bezirksgericht eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert hat, hat die 20-Jährige einen Freispruch verlangt.

Vom Fall, den das Bezirksgericht Zürich am Donnerstag verhandelt, ist der Anfang und das Ende klar: Ein Mann betrat am 9. März 2023 eine kleine Wohnung, vier Minuten später verliess er sie nackt und blutend, wie eine Überwachungskamera im Eingangsbereich des Gebäudes festhielt. Was dazwischen passierte, darüber wurden im Gerichtssaal zwei Versionen präsentiert.

Angriff oder Notwehr?

Der Mann habe mit einer Sexarbeiterin ein Treffen vereinbart, hielt die Staatsanwältin in ihrer Anklage fest. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Frau handle, die ihn oral befriedige. Doch als sie sich dann weigerte, auch die Unterhosen auszuziehen, habe er gemerkt, dass es sich um eine Transfrau handle.

Als der Freier daraufhin sein Geld, die bereits übergebenen 100 Franken, zurückforderte, habe die 20-Jährige unvermittelt dreimal mit einem Küchenmesser in die Oberschenkel des Mannes gestochen.

Der Mann sei neugierig gewesen und habe genau gewusst, auf was er sich einlasse, sagte hingegen die Beschuldigte vor Gericht. Er habe sie in früheren Chats auch schon nach ihrer Penisgrösse gefragt.

Als sie dann ihre Unterhosen heruntergezogen habe, habe er aber merkwürdig reagiert; wegen ihres nach siebenjähriger Hormon-Einnahme verkleinerten Penis sei er wohl unzufrieden gewesen. Er habe sie gewürgt und an den Haaren gezogen. Aus Todesangst habe sie das am Boden liegende Messer ergriffen und zugestochen, bis er sie losliess und sie sich im Badezimmer einschliessen konnte.

Keine Beweise – einige Indizien

Für die Version der Staatsanwaltschaft mangle es an den sicheren Beweisen, hielt die Verteidigerin in ihrem Plädoyer fest. «Mit grosser Wahrscheinlichkeit hat es sich nicht so zugetragen.» Es habe vielmehr eine Notwehrsituation vorgelegen. Ihre Mandantin sei vom Vorwurf der Körperverletzung freizusprechen und sofort aus der Sicherheitshaft zu entlassen.

Die Staatsanwältin bezeichnete die Aussagen der Transfrau als nicht über alle Zweifel erhaben; sie seien teilweise nicht logisch und wiesen Brüche auf. So seien an deren Hals, Kopf und Rumpf keine Verletzungen festgestellt worden, auch alle künstlichen Fingernägel seien ganz gewesen. «Das spricht gegen Kampfhandlungen, wie sie sie geltend macht.»

Der Freier habe durch die Messerstiche zwar keine akut lebensgefährlichen Verletzungen erlitten, hielt die Staatsanwältin weiter fest. Doch nur zufällig sei keine Schlagader erwischt worden. Wegen versuchter schwerer Körperverletzung sei die Frau zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und einem Landesverweis von sieben Jahren zu verurteilen.

Das Bezirksgericht Zürich wird das Urteil voraussichtlich um 16.45 Uhr eröffnen.