Das ist die erste Kostümbildnerin mit dem Solothurner Ehrenpreis
Zum ersten Mal hat eine Kostümbildnerin den Ehrenpreis der Solothurner Filmtage gewonnen. Der Beruf sei ihr fast schon in die Wiege gelegt worden, sagt Anna von Brée im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Die Liste der Filme, für die Anna van Brée Kostüme entworfen hat, ist beachtlich. Zwei davon laufen dieses Jahr an den 59. Solothurner Filmtagen: «Retour en Alexandrie» von Tamer Ruggli und «Les Histoires d’amour de Liv S» von Anna Luif. Wegweisend war für die in Lausanne lebende van Brée ihre Begegnung mit der Schweizer Regisseurin Ursula Meier. Seit Meiers erstem Spielfilm «Home» (2008) arbeiten van Brée und die Regisseurin regelmässig zusammen.
«Mit Anna van Brée wird eine Kostümbildnerin prämiert, die aufgrund ihrer Erfahrung, ihrer Filmografie und ihren Fähigkeiten eine hervorragende Botschafterin für diesen wichtigen Beruf ist», begründete Niccolò Castelli die Wahl der diesjährigen Trägerin des «Prix d’honneur». Castelli ist künstlerischer Leiter der Solothurner Filmtage. Kostümbildnerinnen und Kostümbildner erzählten das, was sich nicht in Worte fassen lasse: die Geschichten, Wünsche und Charaktereigenschaften einer Figur.
Ins Film-Milieu geboren
Van Brée wurde geradezu ins Film-Milieu geboren. Bereits ihre Mutter war Kostümbildnerin, ihr Vater übernahm das Haute-Couture-Haus der Grosseltern in Antwerpen und träumte davon, Komiker zu werden. Früh schnupperte die Belgierin die Luft der Schauspiel-Welt. «Als ich jung war, gehörte ich zu einer Kindertruppe, die einmal im Monat im flämischen Fernsehen eine Vorstellung gab», erzählt van Brée.
Zuerst war es ihre Freude an Kleidung, die sie Modedesign studieren liess an der l’Académie des Beaux-Arts in Antwerpen. Danach widmete sie ein weiteres Studium dem Fach Inszenierung an der Hochschule der Künste in Brüssel.
Dank der Kontakte und der Erfahrung ihrer Mutter beim Film kam van Brée sehr bald zu Aufträgen, Kostüme für Kurzfilme oder Theateraufführungen zu entwerfen. Und, glückliche Fügung: Bei den Dreharbeiten zu einem Spielfilm in Belgien wurde van Brée zur Kostümchefin. Diese ersten Karriereschritte habe ihre Mutter stets ganz praktisch unterstützt. «Zusammen haben wir für diesen dystopischen Spielfilm ein komplett neues Universum erfunden», so van Brée.
Wegen der Liebe in die Schweiz
In die Schweiz gezogen ist van Brée wegen der Liebe. Ende der 1990er Jahre packte sie in Belgien die Umzugskisten und zog mit ihrem Baby zu einem Westschweizer Schauspieler.
Beruflich ist van Brée immer auf mehreren Karrierepfaden gleichzeitig unterwegs: als Kostümbildnerin für den Film und das Theater sowie als Regisseurin mit ihrer Theatergruppe «la belgosuisse». Hin- und hergerissen fühle sie sich dabei nicht. «Bei Dreharbeiten mag ich das Improvisieren und den punktuellen Stress; bei der Arbeit im Theater gefällt mir der längerfristige Stress», sagt sie. Im Theater entstehe die Dramaturgie für die Kostüme während der Proben. «Das ist viel organischer.» Auf Filmsets gehe alles viel schneller. Und: «Wenn ich eine Aufführung inszeniere, kann ich nur das tun.» Dann müsse sich jemand anderes um die Kostüme kümmern.
Mitarbeit an knapp 20 Produktionen
«Home» im Jahr 2008 war für van Brée soetwas wie der Durchbruch. Seither ist ihre Arbeit gefragt. An rund 20 Filmproduktionen hat sie mitgearbeitet, beispielsweise an der Dramaserie «Les Indociles» (dt.: «Die Unruhestifter») von Radio Télévision Suisse (RTS) oder im Film «Schwesterlein» der Schweizer Regisseurinnen Stéphanie Chuat und Véronique Reymond. Bei den Schweizer Filmpreisen 2021 wurde der Film gleich fünf Mal ausgezeichnet, darunter in der Königsklasse Bester Spielfilm.
Van Brée hofft, dass sie nun mit dem «Prix d’honneur» in Solothurn auch in der Deutschschweiz auf grösseres Interesse stösst. «Ich denke, dass meine strenge flämische Seite gut zur deutschsprachigen Mentalität passt», sagt van Brée. Den Ehrenpreis nimmt sie am (heutigen) 18. Januar im Rahmen der 58. Solothurner Filmtage entgegen. Im Anschluss wird «Retour en Alexandrie» gezeigt.