Langes Warten auf den Hauptgewinn der spanischen Weihnachtslotterie
Millionen Spanier haben in diesem Jahr bei der Ziehung der Glückszahlen der weltberühmten spanischen Weihnachtslotterie am Freitag nicht nur viel Glück, sondern auch besonders viel Geduld gebraucht.
Der Hauptgewinn «El Gordo», der Dicke, wurde erst ganz zum Schluss der mehr als vierstündigen Veranstaltung gezogen – so spät wie noch nie in der Geschichte der ältesten Lotterie der Welt, schrieben spanische Medien am Freitag.
Aber das Warten hat sich gelohnt, zumindest für diejenigen, die ein Los mit der Nummer 88008 gekauft hatten – ihnen stehen nämlich vier Millionen Euro abzüglich Steuern zu. Die meisten der insgesamt 185 Lose mit der Nummer des Hauptgewinns wurden in der Region Valencia am Mittelmeer verkauft, vor allem in dem kleinen Ort Vilamarxant mit nur knapp 10 000 Einwohnern.
Für ein Zehntellos für 20 Euro, das die meisten Menschen kaufen, stehen den glücklichen Gewinnern für den «Gordo» 400 000 Euro zu. Zuvor aber zieht der Fiskus noch von allen Gewinnen ab 40 000 Euro 20 Prozent Steuern ab. Von 400 000 Euro werden dann 328 000 Euro ausgezahlt. Hauptgewinner ist auf jeden Fall Vater Staat. Insgesamt gab es Lose für 3,7 Milliarden Euro. An Gewinnen ausgekehrt werden dieses Jahr knapp 2,6 Milliarden Euro.
Um 9.00 Uhr hatte die Ziehung im Opernhaus Teatro Real in Madrid begonnen. Schüler des Internats Ildefonso im Alter von 8 bis 14 Jahren sangen wie jedes Jahr am 22. Dezember die Losnummern und die dazugehörigen Gewinnsummen vor. Erst um 13.15 Uhr rief ein kleiner Junge mit sich überschlagender Stimme den Hauptgewinn aus. Die Tradition des Vorsingens stammt aus dem 19. Jahrhundert. Im Zuschauerraum, wo die treuesten Anhänger der Weihnachtslotterie sassen, brach Jubel los, obgleich wohl keiner von ihnen den Hauptgewinn ergattert hatte.
Verkleidet als Weihnachtsmänner oder andere Phantasiegestalten verfolgten sie den stundenlangen Singsang der Kinder mal mit angehaltenem Atem, mal Beifall katschend, wenn grössere Preise vergeben wurden. Dieses Jahr war sogar ein «Papst» dabei, ein perfekt verkleideter Mann mit seinem schüchternen Sohn. Die beiden forderten das Glück mit zwei ganz besonderen Losnummern heraus: 00000 und 99999, der niedrigsten und der höchsten.
Aber neben der Hoffnung auf den grossen Geldsegen ist die Weihnachtslotterie in Spanien vor allem eine Riesengaudi. TV-Sender berichteten live aus Lottoannahmestellen, wo Sieglose verkauft worden waren. Inhaber und Verkäufer freuen sich fast so, als ob sie selbst gewonnen hätten, Sekt fliesst in Strömen. Und das gilt auch für Millionen Spieler, die leer ausgegangen sind. «Dabei sein ist alles», sagten zwei Frauen, die sich ihre Lose auf grosse Papierbögen gedruckt hatten und wie Schürzen vor dem Bauch trugen, in Madrid dem TV-Sender RTVE.
Millionen Menschen sassen landesweit vor den Bildschirmen, um keinen Augenblick der mehrstündigen Liveübertragung zu verpassen. Die vor mehr als 200 Jahren ins Leben gerufene Lotterie zeichnet sich durch viele Preise aus, die dafür nicht so schwindelerregend gross wie bei manchen anderen Lotterien sind.
Zur Tradition gehört, dass Familien, Arbeitskollegen oder Freundesgruppen ein oder mehrere ganze Lose, die immerhin 200 Euro das Stück kosten, zusammen kaufen. Die gemeinsame Entscheidung, auf welche Nummer gesetzt werden soll, die geteilte Hoffnung auf das grosse Glück und das kollektive Bibbern während der Ziehung der Gewinnzahlen macht für viele den besonderen Reiz der Weihnachtslotterie aus. Auch eine Niete ist in der Gruppe leichter zu verschmerzen.
Die Ziehung der Gewinnzahlen folgt immer einem strengen Ritual. Ein grosser Gitterball enthält 100 000 kleine Holzkugeln mit fünfstelligen Gewinnzahlen und in einem kleineren Gitterball befinden sich 1807 Kugeln mit den aufgedruckten Preisgeldern. Aus jeder der beiden Gitterbälle fällt zeitgleich je eine Kugel in eine Schüssel: Die Gewinnnummer und der dazugehörige Preis. Jede einzelne Kugel wird von den Kindern vorgesungen und dann registriert und gesichert.