«Master of Cheese» ist ein Loblied auf das Handwerk des Käsers
Der Dokumentarfilm «Master of Cheese» bewegt mit seiner berührenden Geschichte über einen Käser aus dem Toggenburg. Und er bewegt, weil er nah am Leben erzählt.
Wie in Trance ist Willi Schmid, wenn er Käse macht. «Dann bin ich an einem anderen Ort». Der Käser aus dem Toggenburg überlegt nicht lange, bevor er etwas ausspricht, das merkt man schnell. Und deshalb ist «Master of Cheese» so echt, so berührend. Und inspirierend.
Im Dokumentarfilm von Myriam Zumbühl und Simon Steuri ist nicht nur der mittlerweile schon fast weltberühmte Toggenburger der Protagonist, der aus der Not Käser wurde – und nicht Bauer wie sein Vater und älterer Bruder. Die Bauern, bei denen er seine Milch bezieht, erhalten genau so viel Raum. Und die Tiere: Der Käser kennt jede Kuh, deren Milch er verarbeitet. Ausserdem schmeckt er aus der Ziegenmilch heraus, was das Tier auf welcher Weide gefressen hat. Natürlich kennt er auch fast Pflanze auf den Wiesen seiner Heimat. Ein Magier? Ja. Und ein Besessener.
Der Anfang war hart
Willi Schmid ging einen langen Weg, der mit vielen Hindernissen gespickt war. «Unfassbar» sei seine Geschichte auch für ihn manchmal, sagt er. Dass er seinen Bubentraum – den elterlichen Hof übernehmen – nicht verwirklichen konnte, stellte sich als grosses Glück heraus. Nach Tiefschlägen und Enttäuschungen mit Geschäftspartnern investierte er Mitte der Nuller Jahre in eine eigene Käserei im st. gallischen Lichtensteig. Der Anfang war hart, «zuhause», so Willi Schmid, «gab es fünf Mäuler zu stopfen».
Innert kurzer Zeit kreierte er – musste er kreieren – um die 30 verschiedene Käse, um seinen Laden am Laufen zu halten. Sein erster Erfolg war der «Mühlestein», ein Halbhartkäse, der aussieht wie ein Mühlstein mit dem charakteristischen Loch in der Mitte, und mit dem er Preise gewann. Wie auch mit seinem anderen berühmten Käse, dem «Jersey Blue», einem Blauschimmelkäse aus Milch von Jersey-Kühen. Mit ihm wurde er zweimal Weltmeister. Der amerikanische Ex-Präsident Barack Obama soll ein Fan gewesen sein, in New York kennt man seine Kreationen und auch hierzulande finden sich Schmids Käse in ausgewählten Käsereien, immer als Spezialitäten angepriesen.
Töffli an der Stallwand
Diese Erfolge stehen im Dokfilm, der sich im vergangen Jahr auf einer internationalen Festivaltournee behauptete, nicht im Vordergrund. Sondern die Poesie. Bei «Master of Cheese» wird sogar ein Töffli, das an der Stallwand lehnt, zu einem von vielen bildgewaltigen Elementen, die diese Geschichte stützen.
Und trotzdem steht Willi Schmid im Zentrum. Durch seine Erzählungen erhalten jedoch alle anderen ein Gesicht und ein Gewicht. Es fährt ein, wenn selbst Kälber sichtbar werden oder das Rauchgras, das dem Käse einen «karamelligen Geschmack und etwas Vanille-Aroma» verleiht, so Schmid , und das auf den Weiden am Fuss der Berge wächst, wo «Schmids Bauern» leben.
Der Film ist eine Hommage ans Handwerk des Käsers – und an dessen Entstehung. Dazu gehören die Milchlieferanten. Die Dankbarkeit gegenüber den Bauern beruht auf Gegenseitigkeit; es sind nur wenige, Schmid kennt sie selbstverständlich alle gut. Die Bauern verdanken dem Käser viel, und umgekehrt, der Käser ist auf gute Milch angewiesen. Er, der «schon alles im Mund hatte, was eine Kuh frisst». Ja, so redet er.
Hommage an die Nachhaltigkeit
Er sei zu Beginn zur Kreativität gezwungen gewesen, sagt Willi Schmid. Hätte er versagt, hätte seine Familie gelitten. Noch heute passieren Fehler, das ist nur natürlich. Doch wenn heute «etwas in die Hose» geht, ihm eine Arbeit mit der Milch misslingt, entschuldigt er sich bei den Kühen. Seine Naturverbundenheit ist in jeder Filmsekunde zu spüren. Der Film ist deswegen auch als Hommage an die Nachhaltigkeit zu verstehen.
Schmids Bauern liefern je nach Saison und Verfügbarkeit Milch von Büffel, Jersey- und Braunviehkühen. Die Ziegen werden im Winter nicht gemolken, also gibt es auch keinen frischen Ziegenkäse. Und wenn im Frühling die Gitzi geboren werden, gibt es weniger Milch für die Käseproduktion, weil das junge Tier ja ebendiese trinkt.
Der Dokfilm schwächelt kaum. Doch es ist nicht immer ganz klar, was wann passiert ist, und vielleicht wäre der eine oder andere Sprecher nicht nötig gewesen (Andreas Caminada zum Beispiel). Doch am Schluss bleibt eine tiefe Rührung. Und Dankbarkeit. Menschen wie Willi Schmid gegenüber, der den Mut hat auf die Stimme der Natur zu hören. Und den Filmemachern gegenüber, die ihrerseits das Wagnis auf sich nahmen, diese aussergewöhnliche Stimme zu verfilmen.*
Notiz:
«Master of Cheese» findet zwar manchmal den Weg in Kinosäle, aber nicht auf dem gängigen Weg: «Man kann ihn mieten – wie eine Musikband», sagt Co-Regisseurin und Produzentin Myriam Zumbühl, «für Betriebsanlässe, für Geburtstage oder andere Events».
Es sei ein bewusster Entscheid gewesen. «Das ist kein Film für die grossen Säle.» In den Zuschauerreihen sitzen denn auch oft Bäuerinnen und Bauern, um die es schliesslich geht. Gebucht werden kann der Film über: www.masterofcheesefilm.com
*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.