Jüdisch-mittelalterliches Erbe in Erfurt wird neues Unesco-Welterbe
Die Unesco hat das jüdisch-mittelalterliche Erbe in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt als neues Welterbe ausgezeichnet. Das entschied die UN-Kulturorganisation am Sonntag auf ihrer laufenden Sitzung im saudi-arabischen Riad. Ausgezeichnet wurden unter anderem mehrere Bauten der Altstadt, darunter ein vor rund 16 Jahren durch Zufall entdecktes mittelalterliches Ritualbad (Mikwe), das vermutlich um 1250 errichtete sogenannte Steinhaus sowie Erfurts Alte Synagoge. In Deutschland gibt es damit nun 52 Welterbe-Stätten.
«Die Aufnahme des Jüdisch-Mittelalterlichen Erbes in Erfurt als neue und zweite jüdische Stätte in die Liste des Unesco-Welterbes leistet einen weiteren, wichtigen Beitrag, die gemeinsamen Wurzeln von Juden und Christen in Deutschland und Europa sichtbar zu machen und für die Zukunft zu bewahren», sagte Deutschlands Botschafterin bei der Unesco, Kerstin Püschel. Die neue Welterbestätte fördere das Verständnis für die kulturelle Vielfalt in Deutschland und den gegenseitigen Respekt für das vielschichtige historische Erbe.
Vor zwei Jahren hatte die Unesco erstmals jüdisches Kulturgut in Deutschland ausgezeichnet. Die sogenannten Schum-Stätten in Mainz, Worms und Speyer erhielten damals als eine Wiege des europäischen Judentums den Welterbe-Titel.
Erfurts Alte Synagoge gilt als eine der ältesten, bis zum Dach erhaltenen Synagogen in Mitteleuropa. Nach einem Pogrom in der Stadt im Jahr 1349, bei dem quasi die gesamte jüdische Gemeinde ausgelöscht wurde, wurde die Synagoge zunächst zu einem Lagerhaus umfunktioniert und später als Gaststätte sowie Tanzsaal genutzt. Die Stadt vermutet, dass das Gebäude aus diesem Grund später vor der Zerstörung durch die Nazis bewahrt wurde.
Heute befindet sich in der Alten Synagoge, deren älteste Bauspuren um 1094 datiert werden, ein Museum. Ausgestellt werden Zeugnisse des jüdischen Lebens im mittelalterlichen Erfurt. Dazu gehören mehrere Tausend Silbermünzen und -barren sowie Gold- und Silberschmiedearbeiten aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Als bedeutendstes Stück gilt ein goldener Hochzeitsring.
Forscher vermuten, dass dieser sogenannte Erfurter Schatz während des Pogroms 1349 vergraben wurde. Entdeckt wurde er bei archäologischen Untersuchungen 1998 nahe der Alten Synagoge. Bei dem Pogrom wurde das jüdische Viertel um die Synagoge herum in Brand gesetzt, fast alle der rund 1000 Mitglieder der jüdischen Gemeinde starben. Forscher gehen, wenn überhaupt, nur von wenigen Überlebenden aus.
Rund 15 Jahre lang arbeitete Erfurt an der Bewerbung um eine Anerkennung als Weltkulturerbe. Die Stadt übertrug die Auszeichnung am Sonntag bei einem Public Viewing.
Die 45. Sitzung des Welterbekomitees der Unesco sollte eigentlich im Juni 2022 in Russland stattfinden. Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde sie jedoch verschoben und wird nun in Riad nachgeholt.