Staudenmann und Giger grösste, aber nicht einzige Favoriten
Fabian Staudenmann und Samuel Giger tun sich mit ihren herausragenden Leistungen als Favoriten für den Triumph am Unspunnen in Interlaken vom Sonntag hervor. Aber es gibt mehr Siegesanwärter.
Seit 1981 hat der Unspunnen-Schwinget eidgenössischen Status. Da er wie der Kilchberger Schwinget nur alle sechs Jahre stattfindet, kann es nicht verwundern, dass sieben verschiedene Namen auf der Siegerliste stehen. Einmal mehr wird am Sonntag kein ehemaliger Unspunnen-Champion am Start sein. Christian Stucki, der Letzte von ihnen, ist im Juni dieses Jahres zurückgetreten.
Die Abwesenheit des am Ellenbogen verletzten Schwingerkönigs Joel Wicki wiegt schwer. Der 26-jährige Entlebucher aus Sörenberg hätte am Sonntag die Möglichkeit bekommen, als einziger Schwinger nebst Jörg Abderhalden (1998/1999) das «Double» Eidgenössisches/Unspunnen zu gewinnen. Dennoch gibt es in diesem Jahr derart viele seriöse Siegesanwärter wie kaum jemals zuvor.
Die beiden obersten Spitzenpaarungen, die der Eidgenössische Technische Stefan Strebel für den Sonntagmorgen zusammengestellt hat, führen vier Schwinger zusammen, auf die man mit guten Argumenten als Festsieger tippen darf: Fabian Staudenmann und Samuel Giger, Matthias Aeschbacher und Pirmin Reichmuth.
In der obersten Position – und damit in jedem der sechs Gänge automatisch der Herausgeforderte – ist Fabian Staudenmann. Von allen Spitzenschwingern hat er von 2022 auf 2023 den grössten Sprung in den Leistungen gemacht. War er letzte Saison achtmal Zweiter gewesen – auch am Eidgenössischen Fest in Pratteln -, siegte er in der zu Ende gehenden Saison bei neun Starts sieben Mal.
Zudem ist der 190 cm grosse Berner aus Guggisberg von allen Topshots einer der Jüngsten. Trotz der beeindruckenden Dominanz könnte er sich noch weiterentwickeln. Beim 25-jährigen Thurgauer Samuel Giger dagegen, dem dominierenden Schwinger der letzten Jahre – er blieb nur an den Eidgenössischen Festen 2019 und 2022 hinter den Erwartungen zurück -, könnte die Entwicklung abgeschlossen sein.
Stehaufriese Reichmuth
Der Zuger Hüne Pirmin Reichmuth, mittlerweile fast 28 Jahre alt, ist ein phänomenaler Schwinger. Er hat sich nach all seinen vier Kreuzbandrissen immer wieder zurückgekämpft. Er ist jetzt in einer Form, in der ihm alles zuzutrauen ist. Reichmuths Auftaktgegner Matthias Aeschbacher gehört wie zuvor Christian Stucki zu den Schwingern, die mit über 30 Jahren besser und stärker werden.
Die Liste der Siegesanwärter lässt sich mit Armon Orlik, Damian Ott, Werner Schlegel, Domenic Schneider, Nick Alpiger und Adrian Walther erweitern. Bei der Aufzählung fällt auf, dass die Innerschweizer nebst Pirmin Reichmuth keine Athleten der vordersten Reihe stellen.
Leiser Abschied
Stefan Burkhalter, «Burki» genannt, mit 49 Jahren der mit Abstand älteste aktive Schwinger, hat es für Unspunnen erwartungsgemäss nicht ins schlagkräftige 30-köpfige Aufgebot der Nordostschweizer gebracht. So bleibt dem Thurgauer ein Auftritt an einem grossen Fest zum Abschluss der Karriere verwehrt. Zwei eidgenössische Kränze, 113 Kränze insgesamt und vier Festsiege sind das abschliessende Palmarès.
Grosses Fest ohne Kränze – eine Paradoxie?
Kränze zu sammeln ist der schönste Zeitvertreib gerade für Schwinger, die für Festsiege und Königstitel weniger in Frage kommen. Auf den ersten Blick mag es paradox erscheinen, dass an Unspunnen und in Kilchberg, an Festen mit eidgenössischem Charakter, keine Kränze abgegeben werden. Es geht um den Sieg, um gute Ränge und um die Ehre der Teilnahme, wie Stefan Strebel sagt. Und Strebel ist unter den Meinungsmachern im eidgenössischen Schwingerverband beileibe kein Traditionalist. Es soll also so bleiben. Würden plötzlich Kränze abgegeben, müsste man wohl die alten Ranglisten hervornehmen und den besten 15 Prozent pro Fest im Nachhinein ebenfalls Kränze zusprechen – auch verstorbenen Schwingern wie dem Zuger Leo Betschart, 1981 der erste Unspunnen-Sieger der eidgenössischen Ära.