«Heute soll ein Hund Bedürfnisse kompensieren»
Die Hundetrainerinnen Miriam Ulrich aus Siebnen und Carmen Hässig aus Benken befürworten ein angepasstes Hundehaltungsgesetz. Seit Corona ist die Zahl der Hunde sprunghaft angestiegen.
Carmen Hässig aus Benken und Miriam Ulrich aus Siebnen sind etwas alarmiert. «Seit Corona 2020 ist die Zahl der Hunde in unserem Kanton um ziemlich genau 1000 Tiere grösser geworden», sagen die Hundetrainerinnen. Die Auswirkung des Anstiegs verursache lei-der auch Tierleid – welches mit einer klaren Hundehalterausbildung minimiert werden könnte. «Daher denken wir oft darüber nach, dass es sinnvoll wäre, das Hundegesetz anzupassen, am besten gesamtschweizerisch einheitlich. » Dass das jedoch ein schöner Wunsch ist, ist ihnen klar. «Doch mindestens kantonal sollte sich die Politik mal wieder damit befassen», so die ehemalige Polizistin Miriam Ulrich.
Hund muss beschäftigt werden
«Dazu muss man verstehen, dass der Hund in seiner Geschichte immer einen Zweck, eine Arbeit erfüllt hat. Er war ein Nutztier», erklärt Carmen Hässig. Dies werde heute meist nicht mehr benötigt und dem Hund keine Aufgabe zugeteilt. Der Wandel in der Gesellschaft habe zu sichtbar gewordenen Veränderungen in der Hundehaltung geführt: «Heute soll der Hund die Bedürfnisse des Halters befriedigen », formuliert es Miriam Ulrich etwas zugespitzt.
Vieles in der «Hundeszene» laufe zwar wirklich sehr gut. Aber die Entwicklung werfe Fragen auf. Denn noch immer könne sich jede und jeder ein Tier anschaffen: ohne Vorbildung, ohne Wissen. Immer öfter wählen Leute einen Hund aus Prestige- oder Egogründen oder einfach aufgrund seiner Optik aus. Frei nach dem Motto: Familie, Haus, Auto, Hund. «Hunde werden als Statussymbol benutzt oder gar als Ersatz für ein Kind.»
Welcher Hund steht mir?
Statt sich zu fragen, was ist gut für den Hund? – fragen sich künftige Hundehalterinnen und Hundehalter eher, was ist gut für mich? Die Kompensation des eigenen Gefühlslebens und ein «Hunderomantik»-Denken seien nicht mehr zu übersehen. Hunde sollen immer lieb sein und mit jedem spielen wollen, sie sollen sich von jedem gerne anfassen lassen und durch die Gegend getragen werden, sie sollen unermüdlich dem von den Kindern geworfenen Ball hinterherrennen oder sie sollen muskulös sein und einschüchternd wirken. Hinter solchem Gedankengut steht oft ein Kompensationsverhalten der Halterin oder des Halters. «Sie kaufen nicht einen Hund mit Bedürfnissen, sondern etwas für ihre Bedürfnisse », analysiert Carmen Hässig.
Miriam Ulrich nennt ein Beispiel: «Wenn jemand eine Hunderasse hält, deren Bedürfnisse er nicht kennt, kommt es früher oder später zu Problemen zwischen Halter, Tier und Umwelt. » Meist besuche der Halter oder die Halterin kein Hundetraining. Aber es gebe auch positive Beispiele, sagt sie.
Auch sie selbst kann ein Beispiel schildern: Ihr fünf Jahre alter American Staffordshire Bullterrier kommt aus schlechter Haltung. «Traumata, Sensibilität, Unsicherheit, Reaktivität und Misstrauen ergaben eine explosive Mischung.» Heute ist er gesellschaftsfähig und kommt gut mit der Umwelt klar. Dennoch braucht er vorausschauende Führung.
Pitbull Altendorf – nur eine Frage der Zeit, bis er wieder beisst?
«Mit dem Pitbull, der in Altendorf kürzlich auf der Strasse einen Chihuahua zu Tode gebissen hat (wir berichteten), müsste problemorientiert und längerfristig gearbeitet werden», so Miriam Ulrich. Sie hatte Hund und Halterin im verordneten Training des Veterinäramtes, nachdem der Hund bereits einen kleineren Hund schwer verletzt hat-te. «Die Frau hat sich Mühe gegeben.» Seither aber «nimmt sie es mit der Maulkorb-Auflage des Veterinärdienstes nicht so genau, und ich bezweifle, dass sie sich an die Trainingsvorgaben gehalten hat». Ändert sich nichts, sei es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem weiteren Vorfall kommt, mutmasst die erfahrene Hundehalterin.
Ist eine Rasseliste sinnvoll?
In den meisten Schweizer Kantonen gibt es eine Rasseliste. Denn nicht in allen Kantonen ist die Haltung aller Hunde erlaubt. Im Kanton Schwyz gibt es keine entsprechende Liste, alle Hunderassen sind erlaubt.
Eine Rasseliste finden die Fachfrauen nicht sinnvoll. Wichtig sei die Schulung des Hundehalters in der Erziehung und im Umgang mit dem Hund, und dies unabhängig von der Rasse. Seit dem Jahr 2017 sind jedoch die schweizweit obligatorischen Hundekurse (SKN) aufgehoben. Dennoch geht nichts über den richtigen Umgang mit dem Tier. Denn was es lernt, prägt sein Leben.