Schnellfahrer findet milde Richter
Ein 20-jähriger Italiener fuhr mit dem Auto seines Vaters auf der Grynaustrasse in Uznach mit über 120 km/h – das in der 50er-Zone. Der junge Mann kommt mit einer Haftstrafe von 14 Monaten davon – bedingt auf zwei Jahre. Im vorliegenden Fall wären bis zu vier Jahre möglich gewesen. (red) Der junge Mann wirkt wie ein geschlagener Hund. «Ich habe einen grossen Fehler gemacht», sagt der 20-Jährige im Gerichtssaal in Uznach auf Italienisch. Dieser Fehler ereignete sich letzten Oktober – in Sichtweite des Kreisgerichts auf der Grynaustrasse. Der Beschuldigte raste abends kurz vor 20 Uhr im Audi seines Vaters mit 123 km/h in Rich-tung Tuggen. Erlaubt gewesen wären 50 km/h.
Im ganzen letzten Jahr gerät der Kantonspolizei St.Gallen kein anderer Raser mit einer derart massiven Geschwindigkeitsübertretung ins Netz – beziehungsweise in die Radarfalle. Diese Woche hat nun der Gerichtsprozess stattgefunden.
Dieser wurde im abgekürzten Verfahren durchgeführt. Will heissen: keine langen Plädoyers, geklärte Schuldfrage – und ein tendenziell niedrigeres Strafmass. Dieses dürfte für den Angeklagten dennoch einschneidend sein, aber zuerst der Reihe nach.
Wenig Lohn, viel Schulden
Vor ein paar Jahren ist die Familie des Rasers von Italien in die Schweiz ausgewandert. «Wegen besserer Zukunftsaussichten », wie er vor Gericht erklärt. Er versteht mittlerweile Deutsch und spricht es auch bruchstückhaft. Arbeit fand der dynamisch wirkende Mann auch. Als Maschinenführer verdient er netto gerade einmal 3500 Franken pro Monat. Und er hat private Schulden in der Höhe von 17000 Franken – keine gute Ausgangslage, um auf der Strasse Gas zu geben.
Das dürfte dem ausserhalb der Region wohnhaften Mann auch klar gewesen sein, als er letzten Herbst geblitzt wurde. Sofort hielt er an – erschrocken vom unbewusst hohen Tempo. «Ich war zerstreut, weil meine Mutter sich kurz davor einer Operation unterziehen musste», sagt der noch bei seinen Eltern wohnende Mann. «Aufgrund der Gewerberäumlichkeiten entlang der Strasse ging ich davon aus, dass 80 km/h erlaubt gewesen wären.» Tatsächlich folgt 200 Meter nach dem Blitzer der Ausserortsbereich. Aber auch dort wäre er mit seinem Tempo noch 43 km/h zu schnell gefahren. Deshalb findet die Staatsanwältin klare Worte: «Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde gravierend überschritten. Gerade in einer 50er-Zone sind Velofahrer und Fussgänger immer zu erwarten.» Der Beschuldigte sei deswegen das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder gar Todesopfern eingegangen. Was auch für seine Freundin auf dem Beifahrersitz zutreffe.
Strafmildernd wirkt sich aber aus, dass er von Anfang an geständig war, wie die Staatsanwältin weiter ausführt. Offensichtlich zeige er Reue und «hat seine Lektion gelernt». Das Verhalten des Angeklagten scheint das zu bestätigen. Der Poloshirt-Träger sagt schüchtern mit leiser Stimme: «Ich entschuldige mich beim Schweizer Staat und bereue meine Tat sehr.» Vorstrafen hat er keine.
Raser oder nicht Raser?
Darum hält sein Anwalt – der sonst nicht viel zu Protokoll gibt – fest: «Mein Mandant ist kein klassischer Raser, der das Risiko liebt.» Das sei bei der Straf-zumessung zu berücksichtigen. Den leitenden Richter beeindruckt das wenig. «Wir hören immer wieder, dass man kein klassischer Raser sei.» Nicht nachvollziehbar sei für das Gericht, wieso man derartig schnell fahre. Insbesondere, wenn man aufgewühlt sei und an seine Mutter denke.
Trotzdem kommt der Angeklagte relativ gut weg. Das von der Staatsanwältin geforderte Strafmass von 14 Monaten bedingt bei einer zweijährigen Probezeit wird vom Richter abgesegnet. Das ist im abgekürzten Verfahren üblich, insofern dieses korrekt abläuft und der gesetzliche Rahmen eingehalten wird.
Im vorliegenden Fall wäre eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren möglich gewesen – ein Jahr ist per Gesetz das Minimum. Der Richter spricht darum von einem «wohlwollenden Urteil».
Kostet fast 10 000 Franken
Dem Raser kommt zugute, dass er davor nie straffällig geworden ist und von Beginn weg geständig war. Vielmehr einschenken dürften ihm ohnehin die finanziellen Konsequenzen. Neben Verfahrenskosten von 6300 Franken muss er auch noch seinen Pflichtverteidiger mit 3500 Franken entschädigen.
Und auf der Strasse steht er laut dem Richter nun unter genauer Beobachtung. «Bei einem erheblichen Verstoss könnte nicht nur die Haftstrafe widerrufen werden, sondern auch ein Landesverweis zum Thema werden», führt er aus. Der Verurteilte nickt ehrfürchtig.
Der Richter sieht aber auch, «dass der Angeklagte die Tat ehrlich bereut und Einsicht zeigt». Und er schliesst darum mit den Worten: «Ich bin zuversichtlich, dass wir uns hier nicht mehr sehen werden.» Gut möglich, dass er recht behält. Zumindest auf legalem Weg darf sich der junge Mann nicht so bald wieder hinter ein Steuer setzen. Durch sein Vergehen ist im Strassenverkehrsgesetz ein Führerausweisentzug von mindestens zwei Jahren vorgesehen. Das Administrativverfahren des Strassenverkehrsamts steht noch aus.
Trotz eines kantonalen Temporekords lässt das Kreisgericht Uznach beim angeklagten Raser Milde walten. Der 20-Jährige kommt mit einer bedingten Haftstrafe von 14 Monaten davon. Dazu wird es für ihn aber teuer.