Eine Medaille ist das Ziel, WM-Gold wäre «schön»
Ziel und Traum müsse man unterscheiden, sagt Orientierungsläuferin Simona Aebersold vorsichtig. Trotzdem: Die 25-Jährige will in Flims/Laax erstmals in ihrer Karriere WM-Gold gewinnen.
Erfolge hat Simona Aebersold schon viele gefeiert – wie einst ihr Vater Christian Aebersold, der 1991, 1993 und 1995 der Goldstaffel der Schweizer Männer angehörte. Nun ist es die Tochter, die für positive Schlagzeilen sorgt. Mehrere Sportarten hat sie als Mädchen ausprobiert, doch nichts faszinierte sie mehr als der Orientierungslauf. Der Entscheid, auf diesen Sport zu setzen, hat sich längst als richtig erwiesen. Eine Auswahl von Simona Aebersolds bisherigen Triumphen: 2022 holte sie in Estland EM-Gold über die Mitteldistanz. «Das ist mein bisheriger Karrierehöhepunkt», sagt die 25-Jährige aus dem Berner Seeland. Ein Jahr zuvor war sie an der WM in Tschechien in fünf Wettkämpfen viermal auf dem Podest gestanden. 2019, 2021 und 2022 belegte sie im Weltcup-Gesamtklassement jeweils den 2.Rang. Trotzdem verkündet Aebersold, die im Training sowie in der Wettkampfvorbereitung immer auf der Suche nach der Perfektion ist: «Ich bin noch lange nicht dort, wo ich hinwill.» Sie könne sich noch in einigen Belangen verbessern, etwa schneller werden, erklärt sie.
Als fünf Sekunden fehlten
Das sagt die Frau, deren Karriere von Beginn weg steil bergauf ging. Und doch fehlt eben noch etwas: WM-Gold, das Aebersold ab heute Donnerstag an den Titelkämpfen in Flims/Laax anstrebt. «Wobei man», gibt sie zu bedenken, «Ziel und Traum unterscheiden muss.» Deshalb drückt sie sich vorsichtig aus: «Eine Medaille ist das Ziel, der WM-Titel wäre schön.» Diesem war Aebersold mehrmals «schon sehr nahe», wie etwa 2019, als ihr fünf Sekunden zum Sieg fehlten.
In Graubünden soll das anders werden. Gold an der Heim-WM ist umso realistischer, als es Simona Aebersold gesundheitlich gut geht, was im Vorjahr nicht immer der Fall war. Der Start in die Saison 2022 gestaltete sich wegen Covid und Wadenproblemen schwierig. Doch sie biss sich durch, vermochte sich zu steigern. Und wie sie das an der WM und EM tat. Daneben übertraf Aebersold als dreifache Goldmedaillengewinnerin an den World Games in den USA die eigenen Erwartungen.
Eine starke Erkältung, die eine gewisse Müdigkeit nach sich zog, und eine Verletzung plagten Aebersold auch in diesem Kalenderjahr, «weshalb es im laufenden Weltcup noch nicht so gut aussieht ». Für die WM ist sie jedoch fit und konnte sich optimal auf die Titelkämpfe vorbereiten. Das tat sie zuletzt in der Bündner Berg-welt, vorerst ab dem 23. Juni in Davos, später in Arosa. Dabei gilt es anzumerken, dass die Vorbereitung auf den Grossevent nicht erst in den letzten Tagen begann. «Auf diese WM bereite ich mich seit Jahren vor», so Aebersold, die Sportwissenschaft mit Nebenfach Psychologie und Erziehungswissenschaften studiert.
«Als sei es das erste Mal»
Es sind die vierten OL-Weltmeisterschaften oder World Orienteering Championships, die in der Schweiz stattfinden. Und immer brillierte die Schweizer Delegation. 1981 in Thun resultierten Podestplätze, aber noch keine Siege. Das änderte sich 2003 in Rapperswil-Jona und mit den Goldmedaillen durch Simone Niggli- Luder im Sprint, in der Mittelund Langdistanz sowie mit der Staffel. Auch Gold holte bei den Männern Thomas Bührer (Langdistanz). 2012 in Lausanne war erneut Niggli-Luder die überragende Frau mit Sprint-, Langdistanz- und Staffel-Gold. Im Sprint der Männer sorgten die Schweizer gar für einen Dreifachsieg.
Mehrere Schweizer Medaillen sind auch in Flims-Laax, wo die Organisatoren an jedem Wettkampftag rund 6000Zuschauerinnen und Zuschauer erwarten, nicht auszuschliessen. Die Augen werden nicht nur, aber vor allem auf Simona Aebersold gerichtet sein. Von früheren Trainings und Wettkämpfen sei ihr das WM-Gelände einerseits teilweise bekannt, «andererseits durften wir dieses seit rund drei Jahren nicht mehr betreten. Entsprechend ist die Erinnerung, ausser was die Geländebeschaffenheit betrifft, doch eher nicht mehr so gross.» Und Aebersold fügt an: «Es ist ohnehin immer gefährlich, ein Gelände zu kennen. So droht man Gefahr zu laufen, die Karte etwas weniger genau zu lesen.» Das will sie verhindern, «indem ich mich so vorbereite, als sei es das erste Mal».
Volles Programm
Aebersold wird am Donnerstag (Langdistanz), Samstag (Mitteldistanz) und Sonntag an den Start gehen. Die Berner Orientierungsläuferin steht vor der Woche, in welcher sie erstmals WM-Gold gewinnen will – und gewinnen kann. Das sehnt sie so sehr herbei, wie sie die Heim-WM lange herbeigesehnt hat.