Ein Final zwischen Meister und Cupsieger
Die Young Boys und Lugano streben am Sonntag (14.00 Uhr) im 98. Cupfinal Seltenes an: Die Berner das Double, die Tessiner die erfolgreiche Titelverteidigung.
Es gab in der fast hundertjährigen Geschichte des Schweizer Cups die eine oder andere Siegesserie. Die Grasshoppers und der FC Sion etwa gewannen den Wettbewerb in der neueren Zeit je dreimal in Folge. Aber seit der Einführung der Super League vor 20 Jahren gelang es nur dem FC Basel seinen Titel erfolgreich zu verteidigen, 2008 im Final gegen Bellinzona, den Aussenseiter aus der Challenge League.
Weil in der gleichen Zeitspanne die Meisterschaften von einigen wenigen Teams und meistens über mehrere Jahre dominiert wurden, muss stimmen, was derzeit in Lugano und Bern betont wird: Der Cup und speziell der Final haben ihre eigenen Gesetze. Die Atmosphäre, die Anspannung und die eigenen Erwartungen in einem alles entscheidenden Spiel sorgen für eine Mischung mit schwer vorhersehbarer Reaktion.
Am Sonntagnachmittag stehen sich im Wankdorf zwei Mannschaften gegenüber, denen man zutrauen kann, mit dem Druck umzugehen: Der Meister und der Cupsieger kämpfen um den Titel, der für einmal keine zusätzliche Belohnung in Form eines besseren Europacup-Platzes bringt. Beide stehen schon in der letzten Qualifikationsrunde für eine Gruppenphase, YB in jener für die Champions League, Lugano in jener für die Europa League.
YB mit Neustart Richtung Cupfinal
Fünf Wochen ist es schon her, seit YB den FC Luzern 5:1 geschlagen und damit den letzten Schritt zum 16. Meistertitel gemacht hat. «Ich habe damals gesagt, dass man nicht fünf Wochen Ferien machen und drei Tage vor dem Cupfinal auf einen Knopf drücken kann», erinnert sich Raphael Wicky. Sorgfältig plante er mit seinem Staff den Formaufbau auf den Cupfinal. Es gab für die Spieler zwei Tage frei und zwei Wochen ein etwas weniger intensives Training.
Seit Mitte Mai sei man aber wieder «voll im Rhythmus», versichert Fabian Rieder. «Wir trainieren hart und intensiv.» Tagtäglich sei ihnen eingetrichtert worden, trotz der gewonnenen Meisterschaft «dranzubleiben», erzählt Sandro Lauper. Christoph Spycher und Steve von Bergen, die beiden Verantwortlichen für den Sportbereich bei YB, haben 2018 erlebt, wie der Klub nach einer souverän gewonnenen Meisterschaft den Cupfinal gegen Zürich verloren hat.
Cedric Zesiger, der seinen letzten Match für YB vor dem Wechsel nach Wolfsburg bestreiten wird, ist überzeugt, dass die Mannschaft «weiss, was es braucht», um das erst dritte Double der Vereinsgeschichte zu schaffen. «Wir können mit hoher Intensität spielen. Wir haben viel Qualität und spielen zuhause, auch wenn es im Cupfinal nicht dasselbe ist», zählt der Verteidiger auf, was für den Meister spricht.
Lugano mit Siegen vorbereitet
Lugano wird auch auf gut 10’000 Fans im Stadion zählen können und seit dem 4:1 im letzten Jahr im Cupfinal gegen St. Gallen ist der Wankdorf ohnehin die zweitliebste Arena der Tessiner. Ihr Trainer Mattia Croci-Torti konnte den Druck in den letzten Wochen ganz natürlich hochhalten, schliesslich ging es für Lugano noch um einen Europacup-Platz über die Meisterschaft. «Mit den positiven Ergebnissen der letzten Wochen haben wir uns gut auf den Cupfinal vorbereitet», meint der Erfolgscoach nüchtern.
Die Zahlen zur guten Serie liefert Wicky: «Sie haben von den letzten 19 Partien nur eine verloren. Wir haben grossen Respekt.» Man sei nach Anfangsschwierigkeiten als Gruppe gewachsen, bemerkt der im letzten Sommer von GC gekommene Allan Arigoni. Bestes Beispiel für den Tessiner Steigerungslauf ist mit Renato Steffen ein anderer Neuzugang von Anfang Saison. Der ehemalige Young Boy sammelt seit Wochen Skorerpunkt um Skorerpunkt.
Auch YB musste sich vor gut einer Woche Lugano mit 0:2 geschlagen geben. Für die Tessiner der Beweis, dass man den Ligadominator in Bedrängnis bringen kann, für YB womöglich eine Warnung zum richtigen Zeitpunkt. Für die Antwort auf die Frage Berner Double oder Luganeser Titelverteidigung am Sonntagnachmittag vor den rund 30’000 Zuschauern haben beide gute Argumente.