Neue Bühne für Schweizer Spieler
Die Gründung der Helvetic Guards hat die American-Football-Szene in der Schweiz aufgemischt. Das Team steht vor der Premiere in der semiprofessionellen European League of Football (ELF).
Es war ein langer Weg – und trotzdem musste alles sehr schnell gehen. Vor knapp zwei Jahren präsentierte eine Gruppe um den heutigen General Manager Toni Zöller das Projekt, die 2020 gegründete europäische Liga mit einem Team aus der Schweiz zu ergänzen. Sie hatten weder Spieler noch Stadion, bloss die Idee.
Mit dieser Idee konnten sie jedoch überzeugen. Auch unter strenger Aufsicht der Liga wurde innert Monaten eine Mannschaft auf die Beine gestellt, die sich zumindest auf dem Papier sehen lässt. Headcoach ist der Amerikaner Norm Chow, der über Jahrzehnte College-Teams betreut hatte und auch kurz in der NFL engagiert war, der grössten Liga der Welt. Das Kader besteht unter anderem aus zahlreichen Schweizer Nationalspielern sowie einigen «Imports».
«Unser Team soll den Schweizer Football auf europäischer Bühne vertreten», sagte Zöller gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Am Samstag spielen die Guards auswärts in Barcelona. Am Sonntag, 11. Juni, empfängt das Team die Raiders Tirol zum ersten Heimspiel, das in Wil stattfindet.
Kritische Stimmen bei Entstehung
Eine semiprofessionelle Organisation wie die Helvetic Guards gab es in der Schweiz bisher nicht. Trotzdem oder gerade deshalb kam ihr während der Entstehung nicht nur Sympathie entgegen. Besonders im Umfeld der bestehenden Vereine fürchtete man, dass die bereits um Aufmerksamkeit kämpfende heimische Liga durch die Abwerbung ihrer besten Spieler noch weniger Beachtung finden könnte.
Inzwischen konnten Zöller und Co. aber einige Klubpräsidenten überzeugen, dass der Schweizer Football langfristig von den Guards profitieren werde. Der Plan ist einfach. «Wir bieten erstmals die Möglichkeit, auf hohem Niveau und mit Aussicht auf eine Karriere Football zu spielen», so Zöller. «Diese neue Perspektive wird nicht nur mehr, sondern auch ambitioniertere Jugendliche in die Schweizer Klubs bringen.»
Die Voraussetzungen scheinen zumindest nicht schlecht. Dank regelmässiger Übertragung der amerikanischen NFL-Spiele im öffentlichen Fernsehen ist die Sportart im deutschsprachigen Raum beliebter geworden. Auch aus diesem Grund hat der als TV-Kommentator bekannt gewordene Patrick Esume die ELF ins Leben gerufen und sogleich dafür gesorgt, dass Partien im Free-TV zu sehen sind. Es ist eine bisher ungekannte Plattform für ein Football-Team aus der Schweiz.
Als Aussenseiter in die Saison
In der Premierensaison der Guards geht es der Organisation in erster Linie darum, in der Liga Fuss zu fassen. Das bedeute jedoch nicht, dass man keine sportlichen Ambitionen hege, sagte Zöller. Der GM zeigt sich beeindruckt vom «Charakter, Zusammenhalt und Ehrgeiz», die im Team stecken.
Als Neuling und Aussenseiter hat das Team sportlich praktisch nichts zu verlieren. Anders sieht es für die Organisation als Ganzes aus. Es wurde viel in die Trainer, die Spieler und die Infrastruktur investiert. Das Geld stammt gemäss Zöller «zum grossen Teil aus Eigenkapital». Im März wurde die Organisation von Jörg Behrendt übernommen, der die Emmen Dragons gründete und die Luzern Lions lange als Hauptsponsor unterstützte.
Künftig sollen mehr Einnahmen durch Sponsoring generiert werden sowie durch den Verkauf von Tickets und Fanartikeln. Ob dafür das Interesse in der Schweiz gross genug ist, wird sich weisen. Der letztjährige Swiss Bowl, der Final in der nationalen Liga, wurde von etwas mehr als 1000 Fans besucht.