Stefan Bissegger vor seinem Comeback im Interview
Zweieinhalb Monate nach seinem Sturz mit Verletzungsfolge gibt Stefan Bissegger am 11. Juni sein Renncomeback. Beim Auftakt-Zeitfahren der Tour de Suisse in Einsiedeln gehört er zu den Sieganwärtern.
Bissegger stürzte am 29. März beim Eintagesrennen Quer durch Flandern und brach sich dabei das linke Handgelenk. In der Phase der Rekonvaleszenz wurde der 24-jährige Thurgauer Vater eines Sohnes.
Stefan Bissegger, Glück im Privaten, Pech im Beruf – geht das als Kürzest-Fazit der letzten Monate in Ordnung?
«Nicht immer Glück auf dem Velo, dafür aber in der Familie mit der Geburt meines Sohnes. So kann man es sagen, ja.»
Wenn man das Positive der Folgen Ihrer Sturzverletzung sucht: Sie konnten Ihre Frau Céline in den letzten Wochen der Schwangerschaft mehr unterstützen.
«Es war schon ein Auf und Ab. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass ich bereits die Zeit nach Paris-Roubaix (9. April) bis zum Beginn der Tour de Suisse zuhause verbringen würde. Die Verletzung kam dann eineinhalb Wochen vor meinen wichtigsten zwei Rennen des Frühlings. Das war extrem schade, denn die Form stimmte, und ich erwartete vor allem für Roubaix viel. Doch das Baby sorgte natürlich für Aufmunterung.»
Nach Ihrem Sturz unterzogen Sie sich am linken Handgelenk einer Operation. Wie schnell konnten Sie danach den Schalter wieder umlegen?
«Ziemlich schnell. Schon am Tag danach kam die Pflegefachfrau ins Zimmer und sagte zu mir: ‘Sie sehen gelangweilt aus. Ich schaue mal mit der Physio-Abteilung, ob Sie ein bisschen strampeln gehen können’. Das tat ich dann für eine halbe Stunde, und es ging mir gleich wieder besser.»
Und wie geht es Ihnen jetzt?
«Dank der Operation und der Stabilisation durfte und musste ich mich seit Anfang bewegen. Schon nach drei Wochen hatte ich die vollständige Beweglichkeit wieder zurück. Danach ging es drei weitere Wochen darum, die Stelle nicht zu belasten. Weil ich aber trotzdem bewegen durfte, war die Kraft schon wieder recht gut vorhanden.»
Sie fahren seit gut zwei Wochen wieder draussen Velo. Ist alles okay?
«Alles geht ganz ohne Schmerzen. Ich habe bereits auch wieder sehr lange Touren hinter mir. Einmal ging es mit einem Kollegen von daheim über den Klausenpass, insgesamt waren wir 250 Kilometer unterwegs. Und da man im Training nicht mit vierzig, sondern eher nur mit dreissig Stundenkilometern unterwegs ist, dauerte die ganze Tour über acht Stunden. Beschwerden hatte ich keine.»
Im Aufbau nach einer früheren Handverletzung hatten Sie das auch schon anders erlebt.
«Damals hatte ich die Hand im Gips. Da bildete sich der Muskel stark zurück, ebenso die Beweglichkeit. Deshalb konnte ich dann anfänglich mit dieser Hand nicht bremsen. Nun ist es anders: Bremsen ging sofort wieder. Ich hatte eine gute Kontrolle und sass auch richtig und mit geraden Schultern auf dem Velo. Die Hand ist ausgiebig getestet und hält.»
Die Tour de Suisse beginnt am 11. Juni in Einsiedeln mit einem Zeitfahren über 12,7 Kilometer. Für Sie die Gelegenheit, Verpasstes nachzuholen, nachdem Sie vor zwei Jahren beim Tour-Auftakt in Frauenfeld Zweiter hinter Stefan Küng geworden sind?
«Das schreit natürlich nach einer Revanche. Allerdings setzte und setze ich in der Vorbereitung nicht zu hundert Prozent auf dieses kurze Zeitfahren. Ich will nicht nur eine gute Form für zehn Minuten, sondern will in der ganzen Tour de Suisse gut in Form kommen.. Es ist immer schwierig zu sagen, wie man nach einer Verletzung zurückkommt. Ich habe lange nicht draussen und sehr viel Ausdauer trainiert. Deshalb gibt es ein paar Fragezeichen. Aber ich werde in Einsiedeln mein Bestes geben, und das kann für den Sieg reichen.»
Wie sieht Ihr Plan nach der Heimrundfahrt aus?
«Mein grosses Ziel ist das Zeitfahren an der WM in Glasgow Anfang August. Nach der Tour de Suisse und der Schweizer Meisterschaft gibt es ein Höhentrainingslager auf dem Berninapass, teils zusammen mit der Nationalmannschaft. Danach fahre ich die Polen-Rundfahrt und hole ich mir noch den letzten Schliff auf dem Zeitfahr-Velo. Nach der WM, so der Stand jetzt, werde ich die Spanien-Rundfahrt bestreiten.»
Apropos Höhentraining: Für dieses haben Sie auch bei sich zuhause ein Zelt.
«Ich bin schon seit fünf Wochen in diesem Zelt. Ich habe es auf Säntis-Höhe, also 2500 Meter über Meer, eingestellt. Weil ich sehr schnell und sehr gut darauf reagiere, kann ich relativ lange in diesem Zelt bleiben. Es hat, mit der Geburt des Kindes und auch dem schlechten Wetter, perfekt gepasst. Der Säntis selber stand – obwohl ich wieder die Möglichkeit gehabt hätte – nicht wirklich zur Diskussion. Nun verbleibt noch eine Woche im Zelt, denn drei, vier Tage vor dem Wettkampf muss man da raus.»