Dominator in überlegenem Auto
Max Verstappen dominiert die Formel-1-WM fast nach Belieben. Der Niederländer steuert in einem überlegenen Auto unaufhaltsam auf die neuerliche Titelverteidigung zu.
Ein erster Hoffnungsschimmer war ausgerechnet aus dem Hause Red Bull gekommen. Sergio Perez hatte der Konkurrenz im Vorfeld des Grand Prix von Monaco Mut gemacht mit dem Hinweis, dass «Monte Carlo nicht unsere beste Strecke ist. Es wird schwierig werden, unsere Stärken zu zeigen». Die Einschätzung des Mexikaners bestätigte sich im ersten Training am Freitag. Er und Verstappen fuhren hinterher. In die Verwunderung mischte sich bei den potenziellen Herausforderern zusätzliche Zuversicht.
Es sollte lediglich eine Momentaufnahme sein. Dreieinhalb Stunden später hatten Verstappen und Perez während der zweiten Übungsstunde wieder das Kommando übernommen und die Relationen wieder ins richtige Licht gerückt. Und als tags darauf sich der Weltmeister mit der Eroberung der Pole-Position die optimale Ausgangslage fürs Rennen vom Sonntag geschaffen hatte, löste sich die Überzeugung, dem Übermächtigen temporär die Stirn bieten zu können, endgültig in Luft auf.
Perez war im Grand Prix nach seinem Fahrfehler im Qualifying vom letzten Startplatz aus kein Faktor, doch Verstappen zog an der Spitze bald einmal einsam seine Kreise. Der vor dem letzten Drittel der Distanz einsetzende Regen erschwerte die Aufgabe zusätzlich und bescherte auch dem Niederländer einige bange Momente. Auf dem Weg zu seinem vierten Sieg in diesem Jahr liess er sich aber nicht mehr abbringen.
Analyse mit Konjunktiv
Am Ende nahm das Verdikt für die Nächstplatzierten brutale Züge an. Der Spanier Fernando Alonso im Aston Martin erreichte das Ziel als Zweiter mit fast 28 Sekunden Rückstand, der überraschende Franzose Esteban Ocon im Alpine lag als Dritter schon beinahe 37 Sekunden zurück.
Für die Analyse wurde auch der Konjunktiv bemüht. Was wäre für Alonso möglich gewesen, wenn er sich schon bei seinem ersten Boxenstopp hätte Regenreifen aufziehen lassen und so auf einen zweiten Zwischenhalt hätte verzichten können? Hätte er die Möglichkeit gehabt, das Rennen zu gewinnen? Alonso selber wollte sich nicht festlegen. «Ich weiss es nicht.» Für Christian Horner, den Chef des Teams Red Bull, «wäre es deutlich enger geworden, hätte sich Fernando auf Anhieb für die Regenreifen entschieden».
Die Möglichkeitsform wich bald der Realität. Und die hält nach aktuellem Stand der Dinge für Verstappens Gegner wenig Erfreuliches bereit. Der Formel 1 droht an der Spitze schon nach etwas mehr als einem Viertel des saisonalen Pensums die Langeweile.
Verstappens hohe Begabung allein reicht selbstredend nicht für den dritten Titelgewinn in Folge. Dazu braucht er das entsprechende Auto. Mit dem RB19 steht ihm ein Wagen zur Verfügung, der höchsten Ansprüchen genügt. Was aber macht den neuesten Wurf des Design-Genies Adrian Newey zum mit Abstand Besten, was der gegenwärtige Fuhrpark in der Formel 1 zu bieten hat?
Evolution als Basis
Die Erfolgsgeschichte hat ihren Ursprung im Entscheid Neweys, bei der Konstruktion des RB19 auf Evolution zu setzen, also auf die Grundzüge des Vorgängermodells zu bauen. Das perfekte Zusammenspiel aller wesentlichen Faktoren macht den (grossen) Unterschied. Die Aerodynamik sorgt für einen sehr geringen Luftwiderstand. Die entsprechenden Werte sind deutlich besser als etwa die der Autos der Teams von Mercedes und Aston Martin.
Elementar ist auch die Wirkung des Unterbodens. Er verleiht dem blauen Wagen in allen Geschwindigkeitsbereichen einen immensen Abtrieb, der wiederum einen schonenden Umgang mit den Reifen erlaubt. Dazu kommt das überlegene DRS. Das am Heckflügel angebrachte System zur Reduzierung des Luftwiderstandes bringt dank hohem Geschwindigkeitsüberschuss einen Vorteil von durchschnittlich zwei Zehntelsekunden pro Runde.
Eine raffinierte Lösung fand Newey auch für den Bereich der Aufhängungen. An der Front hält sie das Auto besser in der optimalen Position als bei einer herkömmlichen Bauweise, im Heck verhindert sie ein Absenken des Wagens beim Beschleunigen. Abgerundet wird das gelungene Werk RB19 durch den in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von Honda gebauten Antrieb und ein Chassis, das im Vergleich zur letztjährigen Version leichter daherkommt. Auch geringeres Gewicht erlaubt schnelleres Fahren.
Schneller fahren als seine Gegner wird Verstappen auch weiterhin, vermutlich schon am kommenden Wochenende wieder im Grand Prix von Spanien – auf einer Strecke, auf der die Stärken des RB19 besser zum Tragen kommen als in Monte Carlo. Einen Hoffnungsschimmer für die Konkurrenz gibt es in Montmeló höchstens im Kleinformat.