Nino Niederreiter hat «von Mathias Seger am meisten gelernt»
Am Dienstag wird Nino Niederreiter geschont, am Donnerstag im WM-Viertelfinal gegen Deutschland will der Schweizer Captain wieder zuschlagen. Ein Gespräch mit dem NHL-Stürmer über Vorbilder und Ziele.
Nino Niederreiter, Sie haben 2010 mit nur 17 Jahren Ihre erste WM bestritten. Wer war Ihr Vorbild?
Mathias Seger. Er spielte über eine so lange Zeit und tat dies mit einer solchen Freude und Leidenschaft. Ich denke, von ihm habe ich am meisten gelernt. Dass du, nur weil du das »C« (für Captain) auf der Brust trägst, nicht alles selber machen und alles kontrollieren musst. Du musst dafür sorgen, dass jeder Spieler seine Stimme hat und dass die Meinung von jedem wichtig ist. Jeder Spieler hat seine Rolle zu erfüllen. Das sieht man ja auch bei den Unternehmen. Der CEO gibt die Impulse. Ich versuche zu erreichen, dass jeder meiner Mitspieler seine Verantwortung hat und das machen kann, worin er der Beste ist. Ich fühle mich wie der verlängerte Arm des Coaches auf dem Eis.
Sind Sie zufrieden mit und stolz auf Ihre bisherige Karriere?
Ja, natürlich. Wenn du klein bist, träumst du davon, einen Match in der NHL zu spielen. Wenn du dann die 800 übertrifft (Niederreiter hat aktuell 897 Spiele – Red.), kannst du dir schon sagen, dass deine Karriere ganz gut gelungen ist. Aber am Ende ist es der Stanley Cup, der zählt. Ohne diesen kannst du nicht wirklich zufrieden sein. Wenn man Connor McDavid oder Leon Draisaitl (von den Edmonton Oilers) anschaut, haben sie so viele individuelle Preise gewonnen, aber noch nie den Cup in die Höhe gestemmt. McDavid hat gerade wieder eine unglaubliche Saison gemacht mit 153 Skorerpunkten in 82 Matches, aber jetzt ist er in den Ferien. Also ja, wir können glücklich sein mit unseren Karrieren, aber wirklich zufrieden kann man nur sein, wenn man einmal den Pokal in Händen gehabt hat. Er ist das ultimative Ziel.
Sie sind ein guter Freund von Roman Josi. Haben Sie versucht, ihn zu einer WM-Teilnahme zu überreden?
Als ich noch in den Playoffs engagiert war, schickte er mir eine Mitteilung und fragte mich, ob ich im Fall des Ausscheidens zur Nationalmannschaft reisen würde. Ich habe geantwortet, dass ich das tun werde und er doch auch kommen solle. Wir haben erst kürzlich noch einmal zusammen gesprochen. Er hatte so grosse Lust zu kommen. Aber diese Hirnerschütterung ist eine Verletzung, die man ganz genau im Auge behalten muss. Du hast nur ein Gehirn. Ich bin traurig, dass er nicht hier sein kann, denn wir wissen alle, was er dem Team bringen kann und wie gerne er bei uns wäre.
Wenn Sie die Goldmedaille holen würden, wäre die dann auch ein wenig für ihn?
Oh, ganz sicher. Ich weiss ganz genau, dass er das »C« tragen würde, wenn er bei uns wäre. Er ist nicht nur ein super Spieler, aber auch ein super Mensch. Gold zu gewinnen wäre ein Wahnsinnsmoment für uns, aber auch für ihn.
Erst einmal steht der Viertelfinal gegen Deutschland an.
Wir haben sicher sehr gute Chancen, diesen Viertelfinal zu gewinnen. Aber wir wissen natürlich, dass Deutschland eine sehr gute Mannschaft ist. Die Deutschen haben in der Gruppenphase gezeigt, wie stark sie sind. Gegen die starken Gegner haben sie immer sehr gutes Hockey gespielt. Es wird also sicher kein einfacher Match, aber ich habe das Gefühl, dass mit unserer Mannschaft sehr viel drin liegt und wir sie schlagen können.