Für Michael Schär stand nicht das Ego, sondern das Team im Fokus
Ende Saison ist für Michael Schär als Radprofi Schluss. Der Luzerner äussert sich im Interview zu seinen Karriere-Highlights, den verbleibenden Rennen und dazu, warum er immer jung geblieben ist.
Michael Schär, Sie fuhren fast zwei Jahrzehnte als Profi Radrennen. Weshalb hören Sie nun Ende dieser Saison auf?
«Im Alter von 37 Jahren und nach 18 Saisons im Profi-Radsport ist der Rücktritt sicher keine grosse Überraschung. Für mich ist es nun an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen.»
Sie werden sich wohl vor allem darüber freuen, mehr Zeit mit der Familie verbringen können, nicht wahr?
«Ja. Mit den Geburten meiner zwei Söhne hat sich mein Leben schon in den letzten zwei Jahren geändert, rückte die Familie mehr ins Zentrum. Doch als Radprofi bist du mehr als 200 Tage im Jahr im Ausland. Das ist nicht wirklich kompatibel mit einer jungen Familie.»
Wie resümieren Sie Ihre Karriere?
«Ich war sicher immer ein Teamplayer. Ich wollte der etwas breiteren Öffentlichkeit vermitteln, dass der Radsport ein Teamsport ist. Wenn also am Ende des Rennens einer der sieben Fahrer aus unserem Team den Sieg holte, dann stimmte das für mich. Ich war ein Helfer, der sich jedes Mal freute, diese Rolle einzunehmen.»
Wenig überraschend deshalb, dass Sie Ihre grössten Erfolge mit dem Team feierten.
«Sehr schöne Momente waren die zwei Mannschaftszeitfahren, die wir vom BMC Racing Team bei der Tour de France gewonnen haben (2018 und 2015). Auch 2011 beim Tour-Gesamtsieg von Cadel Evans dabei sein zu dürfen, war ein Karriere-Highlight. Ebenso die vielen erfolgreichen Jahre zusammen mit Greg van Avermaet an den Klassikern.»
Was hat sich in der Zeit seit Ihrem Profi-Debüt 2006 bis jetzt im Radsport geändert?
«Viel. Es war schön, dass ich noch den alten, dann aber auch den modernen Radsport erleben durfte. Unser Sport hat sich extrem gewandelt, es fand ganz klar eine Professionalisierung statt. Nun kommen die Jungen aus der Sportschule viel vorbereiteter in die World Tour und sind schon auf dem Niveau der gestandenen Profis.»
Das war früher nicht der Fall?
«Nein. Da dauerte es fünf oder gar noch mehr Jahre, bis du wirklich auf dem Niveau angekommen warst. Jetzt ‘schlagen’ die Jungen gleich ein. Auch die Trainingslehre hat sich entwickelt. Alles ist um einiges professioneller als früher, so wird zum Beispiel das Essen nun gewogen.»
Gingen Sie die Entwicklung immer und gerne mit?
«Ich fand es schön, dass ich beide Seiten erleben durfte. Ich war ein Typ Fahrer, der sich auf Veränderungen und neue Trends freute. Ich nahm die Inputs meiner Coaches und Leistungstrainer immer an und probierte, diese umzusetzen. So blieb ich jung.»
Welche Rennen stehen heuer noch im Zentrum?
«Besonders freue ich mich auf die Tour de Suisse. Diese wird quasi zur Abschieds-Tour für mich. Zumal die 2. Etappe von Beromünster nach Nottwil führt. Eine Zielankunft in der Gemeinde, in der ich lebe, ist speziell. In Nottwil einfahren zu dürfen, wird sicher auch emotional.»
Und danach?
«Ich bin für die Tour de France vorselektioniert. Ob ich dann wirklich den Cut schaffe und im endgültigen Kader von AG2R stehe, ist eine andere Frage. Die WM Anfang August in Glasgow ist auch ein grosses Ziel. Da will ich bereit sein und nochmals alles geben für die starken Schweizer im Team. Ich habe Freude, für sie zu fahren und zu versuchen, mit ihnen etwas erreichen zu können.»
Ist Ihnen schon bekannt, wo Sie das letzte Rennen fahren werden?
«Das ist noch nicht definiert. Wahrscheinlich wird es aber Paris – Tours sein (am 8. Oktober).»
Was sind Ihre Pläne danach?
«Das ist noch nicht abschliessend entschieden. Ich würde gerne in einer Form im Radsport bleiben, möchte meine Erfahrung den Jungen weitergeben. Es macht Freude zu sehen, wie sich unsere jungen Schweizer Fahrer entwickeln. Da würde ich gerne auch künftig beratend beistehen. Aber Priorität wird sicherlich die Familie haben, mit ihr will ich mehr Zeit verbringen.»