Fiorentina träumt vom europäischen Coup
Die ACF Fiorentina gehörte einst zu den besten Teams in Europa, fiel tief, hat nun aber in der Conference League die Chance, wieder einmal zu glänzen.
Die ACF Fiorentina gehörte einst zu den besten Teams in Europa, fiel tief, hat nun aber in der Conference League die Chance, wieder einmal zu glänzen.
In der Renaissance-Hochburg Florenz dürfte das Auge für Ästhetik ob all der kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten, welche die Stadt zu bieten hat, ausgeprägter sein als anderswo. Und fachkundige Diskussionen über Michelangelos David-Skulptur in der Galleria dell’Accademia gehören in der Hauptstadt der Toskana ebenso dazu wie lange Warteschlangen vor Botticellis Werk «Die Geburt der Venus», das die Touristen in die Uffizien strömen lässt. Geht es um farbliche Präferenzen, gibt es aber gerade für diejenigen der rund 400’000 Einwohner, die dem Calcio verbunden sind, keine zwei Meinungen.
Renovieren im Stadion
Violett dominiert das Erscheinungsbild auf dem Weg in den Bezirk Campo di Marte im Nordosten der Stadt. Dort steht das Stadio Artemio Franchi, benannt nach dem früheren UEFA-Präsidenten aus Florenz, der 1983 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. 1931 wurde die Spielstätte der ACF Fiorentina erbaut und seither zweimal renoviert. Die nächste umfassende Renovierungsaktion soll im Herbst starten und bis 2026 abgeschlossen sein.
Trotz aller Modernisierungsbemühungen dient das Stadion mit den steilen Tribünen, die weit weg vom Spielfeld aufgestellt sind, als passende Metapher für die sportliche Situation eines Vereins, dessen sportliche Blütezeit weit zurückliegt. 1926 wurde der Verein gegründet, damals noch in den Vereinsfarben Rot und Weiss. Als drei Jahre später die erste offizielle Partie anstand, ein Freundschaftsspiel gegen die AS Roma, trugen die Spieler violette Trikots, bestickt mit der Florentiner Lilie, einem weiteren Markenzeichen der Stadt, das sowohl im offiziellen Stadt-Wappen als auch auf den Trikots noch heute präsent ist.
Europäische Höhen, nationale Tiefen
Es gab Zeiten, da gehörte «La Viola» (die Violette) zu den besten Mannschaften Europas. 1957 stand das Team im Final des Europacups der Landesmeister, dem Vorgängerwettbewerb der Champions League, verlor dort aber gegen Real Madrid 0:2. Vier Jahre später klappte es dann mit dem ersten europäischen Titel, als im Europacup der Pokalsieger die Glasgow Rangers besiegt werden konnten. Auf nationaler Ebene stehen zwei Scudetti (1956/1969) und sechs Cupsiege (letztmals 2001) zu Buche. Nach diesem bisher letzten Titel sollte die schwierigste Zeit folgen.
Nach dem unerwartet frühen Ausscheiden in einem europäischen Wettbewerb klaffte auf einmal ein Loch von 50 Millionen Euro in der Klubkasse, sodass die Fiorentina 2002 Insolvenz beantragen musste. Die Folge davon war die Zwangsrelegation in die Serie C2, die vierthöchste Liga. Bereits 2004 waren die Florentiner wieder zurück in der Serie A, in der sie seither zu einem fixen Bestandteil geworden sind.
Seit 2019 ist der Italo-Amerikaner Rocco Commisso, der als Fernseh-Unternehmer zum Milliardär geworden ist, Eigentümer des Klubs. Der 73-Jährige, der rund 200 Millionen Euro für die Übernahme gezahlt haben soll, sieht nun in der Conference League eine Möglichkeit, einen Teil dieses Investments zurückzuerhalten. Rund 10 Millionen Euro hat «La Viola» in Form von Prämien bereits erwirtschaftet. Gelingt es, die Trophäe nach Florenz zu holen, käme noch einmal ebenso viel dazu.
Toptorschütze Cabral
Der Blick zurück zeigt, dass dieses Halbfinal-Duell in der Conference League mit dem FC Basel für die Fiorentina eine ähnlich grosse Bedeutung hat wie für den Schweizer Vertreter, dass in der Stadt, in der Spieler aus früheren Tagen wie die beiden Rekordtorschützen Kurt Hamrin und Gabriel Batistuta (je 203 Tore) noch heute verehrt werden, Platz wäre für neue Helden – für Spieler wie Arthur Cabral, den früheren Basler Publikumsliebling, der in dieser Saison wettbewerbsübergreifend 15 Mal getroffen hat, oder für Luka Jovic, der wie Cabral in der diesjährigen Conference League bisher sechs Treffer erzielt hat.
Die Lilie hatte nicht immer den besten Nährboden. Aber sie beginnt langsam wieder zu blühen.