Mäder will Schweizer Durststrecke nach 25 Jahren beenden
Gino Mäder gilt als der Schweizer, der dereinst wieder mal eine grössere Rundfahrt gewinnen könnte. Einiges spricht dafür, dass er ab Dienstag an der Tour de Romandie den Coup landet.
Gino Mäder gilt als der Schweizer, der dereinst wieder mal eine grössere Rundfahrt gewinnen könnte. Einiges spricht dafür, dass er ab Dienstag an der Tour de Romandie den Coup landet.
«Ich will so gut performen wie 2022. Dann sehen wir, zu was dies reicht», sagt der 26-Jährige vergangenen Donnerstag auf der Rückfahrt von der Flèche Wallonne, bei der er als 34. mit knapp einer halben Minute Rückstand oben auf der Mur de Huy eintraf. Die Floskel von der missglückten Hauptprobe als gutes Omen lässt er nicht gelten. «Dieses Rennen war in meiner Agenda nicht rot angestrichen. Ich bin wegen einem Mangel an Fahrern in unserem Team an den Start gegangen», relativiert Mäder die Bedeutung der Hauptprobe in Belgien.
Der Radprofi, der die Ambitionen auf einen Rundfahrten-Triumph bereits an der Vuelta 2021 mit Rang 5 als bester Jungprofi und der Tour de Romandie 2022 mit Platz 2 angemeldet hat, ist auch heuer in Schuss. Der 5. Rang Mitte März nach acht Etappen bei Paris-Nizza darf sich sehen lassen, zumal die Tour-de-France-Dominatoren Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard zwei Podestplätze beanspruchten.
Den letzten Schliff für eine Top-Form an der diesjährigen Tour de Romandie holte sich Mäder in einem zweiwöchigen Höhentrainingslager auf Teneriffa. Der Körper des ehemaligen KV-Stifts von Swiss Olympic spricht auf die Einheiten in den Bergen gut an. 2021 ging er erstmals ins Höhentraining und setzte anschliessend am Giro d’Italia im strömenden Regen mit einem Sieg in einer Bergetappe ein erstes Ausrufezeichen.
Drei Gründe sprechen für Mäder
Für den wetterfesten Schweizer – in der Königsetappe hinauf nach Thyon 2000 könnte es frisch werden – spricht neben der spezifischen Vorbereitung auch das Streckenprofil und die Tatsache, dass sich mit Remco Evenepoel oder Primoz Roglic die Top-Anwärter auf den Gesamtsieg im Giro d’Italia anderswo auf die erste grosse Rundfahrt des Jahres vorbereiten.
Als Mäder den Streckenplan 2023 erstmals studierte, sah das grossgewachsene Leichtgewicht auf Anhieb, dass dies was werden könnte – vielleicht sogar mit dem ersten Schweizer Sieg 25 Jahre nach Laurent Dufaux. «Der Prolog ist, was die Steuerkünste anbelangt, technisch einfach, das Zeitfahren in der 3. Etappe wird nicht auf einer topfebenen Strecke gefahren und insgesamt war das Profil schon schwieriger», fasst er zusammen. Allrounder-Qualitäten sind gefragt: Zu schwere Fahrer haben keine Chance, reine Kletterspezialisten erhalten zu wenig Möglichkeiten, um die Differenz zu schaffen, der «Roller-Fahrtyp» wird im Kampf gegen die Uhr in Châtel-Saint-Denis, dem Wohnort von Olympiasieger Pascal Richard, nicht gross bevorzugt.
Männiglich erwartet ein offenes Rennen, die ganz grossen Namen fehlen – der Weltmeister Evenepoel verausgabte sich am Sonntag bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, Roglic weilt bis vor dem Giro-Start in der Höhe. Die Wagemutigen können also ihre Chance nutzen. Mäder, der mit dem Italiener Damiano Caruso als Co-Leader von Bahrain Victorious antritt, sieht dies auch so: «Die Tour de Romandie liegt zeitlich schon fast zu nahe am Giro. Das schreckt einige ab. Für mich als Schweizer ist es aber eine Herzensangelegenheit.»
Art der Sammelaktion noch offen
Das Wort «Schweizer» passt zu Mäder. Denn auf die Frage, ob man ihn nun als Ostschweizer (wo er geboren wurde), als Oberaargauer (wo er aufwuchs) oder als Zürcher (wo er wohnt) bezeichnen soll, meint er: «Schreiben Sie einfach Schweizer oder noch besser: Bürger dieser Welt». Das trifft den Nagel auf den Kopf für jemanden, der nicht wirklich einen engen Bezug zu einer spezifischen Region in der Schweiz hat, sich aber für das globale Klima ins Zeug legt wie kaum ein anderer Radprofi.
Mäders Horizont reicht weit über den Radlenker hinaus. Er äussert sich zu Themen, zu denen manch einer schweigt, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Und in Sachen Klima lässt er seinen Worten auch Taten folgen. «Put your money where your mouth is», wie er es ausdrückt. So sammelte er 2021 mit der Aktion «Race for a cause» Geld, indem er für jeden Fahrer pro Etappe, den er hinter sich liess, einen Franken auf die Seite legte. Zusammen mit Zuschüssen kamen so rund 15’000 Franken ins Spendenkässeli für die Organisation «Justdiggit». 2022, in einem wegen einer Corona-Infektion sportlich weniger erfolgreichen Jahr, blieb die Summe vierstellig.
2023 will der Schweizer erneut sammeln, aber es wisse noch nicht genau wie. «Etwas, das weniger an Resultate gebunden ist. Etwas Interaktives. Für Inputs bin ich offen», sagt er.
Die Position als Spitzensportler wolle er nutzen, obwohl er als Weltenbummler einen riesigen ökologischen Fussabdruck habe. Man könne dies als Widerspruch betrachten, er sehe sein Profitum aber auch als Chance: «Der Spitzensport bietet eine Plattform, damit die Leute zuhören.»
«Es ist noch ein langer Weg, bis wir uns ‘nachhaltig’ schimpfen können. Genug machen wir alle nicht, mich eingeschlossen», betont der Mitfavorit der Tour de Romandie, der in der Karawane immerhin schon von ein paar mit Wasserstoff betriebenen Autos begleitet wird.