«Brauche das Messer am Hals»
Eddy Yusof ist nach gesundheitlichen Problemen zurück im Schweizer Team. Die am Dienstag beginnenden Kunstturn-EM in Antalya ist für ihn eine gute Standortbestimmung.
Eddy Yusof ist nach gesundheitlichen Problemen zurück im Schweizer Team. Die am Dienstag beginnenden Kunstturn-EM in Antalya ist für ihn eine gute Standortbestimmung.
Yusof gehörte zu jenem Schweizer Quartett, das an den Olympischen Spielen 2021 in Tokio den hervorragenden 6. Platz im Team-Wettkampf erreichte. Er war schon fünf Jahre zuvor in Rio de Janeiro bei der ersten Olympia-Teilnahme eines Schweizer Teams seit 1992 dabei gewesen. In Brasilien belegte er im Mehrkampf-Final den sehr starken 12. Rang, in Japan schaute der 16. Platz heraus.
Nach Tokio musste Yusof wegen Rückenproblemen eine längere Pause einlegen. Als er danach voll angreifen wollte, machte ihm erneut der Rücken zu schaffen. Seit vergangenem Herbst konnte er nun wieder aufbauen, in der Türkei turnt er aber erst an drei Geräten – am Pauschenpferd, Barren und an den Ringen. Ist er nun schmerzfrei? «Das bin ich leider nie, ich habe es jedoch ziemlich gut unter Kontrolle», sagt Yusof im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Zwölfter Grossanlass
Gedanken ans Karrierenende kamen beim Zürcher mehrmals auf, schliesslich ist er bereits 28 Jahre alt. Er führte viele Gespräche. «Wir entschieden uns, den Entschluss zum Aufhören nicht dann zu fällen, wenn es am schlimmsten ist», erzählt Yusof. So bestreitet er nun in Antalya seinen zwölften Grossanlass in der Elite-Kategorie.
Seine Rückkehr erachtet der zum Trainerteam des Nationalkaders gehörende frühere Spitzenturner Claudio Capelli als «sehr wichtig». Er könne dank seiner Erfahrung Inputs geben, wenn es mal nicht so gut laufe. Yusof selber findet, «dass Erfahrung nicht extrem viel bringt in dieser Sportart». Sie habe ihm allerdings geholfen, ruhiger zu bleiben vor einem Wettkampf.
Yusof bezeichnet sich als jemanden, «der das Messer am Hals braucht. In jungen Jahren habe ich viel rumgeblödelt im Training, wenn es dann aber zählte, war ich konzentriert. » Was das Mentale betrifft, «habe ich mir seit klein auf eigene Tools gebastelt, wie ich das Ganze angehe. Damit bin ich gut gefahren.»
Eher der laute Typ
Dass Yusof mit Kunstturnen begann, war purer Zufall. Nachdem sein Bruder einen Flyer nach Hause gebracht hatte, ging er mit ihm in ein Probetraining. Das war mit sechs Jahren. An der Sportart faszinieren ihn die vielen verschiedenen Bewegungen. Es gefiel ihm aber auch wegen den Kollegen, dem guten Umfeld.
Wenn Yusof sich wohl fühlt, ist er eher der lautere Typ, hat er auch mal ein grosses Maul. Bei fremden Menschen hingegen ist er zurückhaltend. Ins Verbandszentrum nach Magglingen ging er erst Anfang September 2014, einen Monat vor seinem 20. Geburtstag, weil er zuvor noch die KV-Lehre beenden wollte und deshalb im regionalen Leistungszentrum in Rümlang blieb.
Zum grossen Trainingsaufwand aufgrund der Komplexität der Sportart sagt Yusof: «Wir kennen es nicht anders. Daran gewöhnt man sich. Ausserdem trainiere ich nicht mehr so viel wie noch in jungen Jahren, bin ich effizienter unterwegs.» Aber es sei schon so, dass man als Kunstturner müsse beissen können.
Der grosse Aufwand hinderte Yusof jedoch nicht daran, die Berufsmatura zu absolvieren. Im Herbst 2017 begann er dann mit dem Sportstudium, dass er, wenn alles gut läuft, im Sommer beendet. Ob er später mal als Lehrer, Coach oder im Sportmanagement arbeiten wird, ist offen. Klar ist aber, dass für ihn die Olympischen Spiele 2024 in Paris der «letzte Termin» als aktiver Turner wären.
Auf dem Weg dorthin ist die EM «eine gute Standortbestimmung». Yusof strebt mit dem Team eine Top-5-Klassierung an. Das Minimalziel ist die Qualifikation für die WM in Antwerpen, die vom 30. September bis 8. Oktober stattfindet. Dafür ist Platz 13 erforderlich. In Belgien werden dann die Olympia-Tickets vergeben. Eine dritte Teilnahme mit dem Team wäre für Yusof der perfekte Abschluss der Karriere.