Loyale gegen Fahnenflüchtige am US Masters
Es ist nicht anzunehmen, dass die Golfer an dem am Donnerstag beginnenden 87. US Masters in Augusta physisch aufeinander losgehen werden. Aber Gründe für Streitereien und Animositäten liegen vor.
Es ist nicht anzunehmen, dass die Golfer an dem am Donnerstag beginnenden 87. US Masters in Augusta physisch aufeinander losgehen werden. Aber Gründe für Streitereien und Animositäten liegen vor.
Seit letztem Jahr gibt es zwei Lager. Hier die Golfer, die ihren angestammten Tours in den USA und in Europa die Treue halten. Dort die Golfer, die sich mit Hunderten von Millionen Dollar von einem Konsortium aus Saudi-Arabien ködern liessen und jetzt, gleichsam in einer geschlossenen Gesellschaft, die sogenannte LIV Tour auf den verschiedensten Kontinenten bestreiten.
Zu den Abtrünnigen und Illoyalen zählen der Veteran Phil Mickelson als Werbeträger sowie hochrangige Profis wie Dustin Johnson, Brooks Koepka, Sergio Garcia und Lee Westwood.
Es wäre nichts als konsequent und logisch, die Saudi-Golfer von den vier Majorturnieren, den vier Turnieren auf Grand-Slam-Stufe, auszusperren. Aber die Veranstalter sind, den Willen der grossen Tours missachtend, sich selbst die Nächsten. Im Augusta National Golf Club will man unbedingt alle grossen Namen am Start sehen. Auf diese Weise haben Johnson, Koepka und Co. den Fünfer und das Weggli. Wenn es um die höchsten sportlichen Ehren geht, kehren sie plötzlich wieder auf die Circuits zurück.
Tiger Woods hat ein Angebot über Hunderte von Millionen Dollar ausgeschlagen, die er nur für den Wechsel auf die LIV Tour bekommen hätte. Als Milliardär konnte sich der weltbeste Golfer die Absage ohne Weiteres leisten. Trotzdem ist er in dieser Woche in Augusta die Galionsfigur der Treuen.
Mit 47 Jahren und von zahlreichen Verletzungen beeinträchtigt, gehört Woods in dieser Woche nicht zu den Siegesanwärtern. Die Position des Topfavoriten nimmt vielmehr Scottie Scheffler ein, der dem Lockruf aus dem Mekka des Golfsports ebenfalls widerstand. Der 26-Jährige aus New Jersey siegte vor einem Jahr in Augusta drei Schläge vor dem Nordiren Rory McIlroy, der als weiterer Prominenter ebenfalls nicht der saudischen Fraktion angehört.
Nicht nur als Weltnummer 1 ist Scheffler der derzeit beste Golfer. In diesem Frühling siegte er am Phoenix Open und – besonders bemerkenswert – an der Players Championship der US PGA Tour, die gemeinhin als das fünfte Majorturnier angesehen wird. Seit zwei Jahren konnte kein anderer Spieler derart viele Spitzenergebnisse aneinanderreihen wie Scheffler. Er könnte als erster Profi nach Tiger Woods das prestigeträchtigste Turnier mit dem Green Jacket, dem symbolischen Siegerpreis, zweimal nacheinander gewinnen. Woods siegte 2001 und 2002.
Endlich wieder McIlroy?
Auch der Weltranglisten-Zweite Rory McIlroy, gelegentlicher Gast am Omega European Masters in Crans-Montana, ist einer der Favoriten bei den Buchmachern. Er musste sich vor einem Jahr nur von Scheffler bezwingen lassen. Das zum 33-Jährigen gereifte Wunderkind hat in seiner Karriere vier Majorturniere gewonnen. Das ist sehr viel, wenn man nicht Tiger Woods und dessen 15 grosse Titel zum Massstab nimmt.
McIlroys letzter grosser Triumph geht jedoch auf den August 2014 zurück. Das US Masters ist just das einzige Major, das er bislang nicht gewinnen konnte. An einer Medienkonferenz in dieser Woche bemühte McIlroy für sich einen Vergleich: «Es ist, als ob ich alle Zutaten für den Kuchen hätte. Es geht nur darum, die Zutaten hineinzugeben und den Ofen auf die richtige Temperatur zu stellen. Ich weiss, dass ich alles bei mir habe.»