«Wir lernten aus der Vergangenheit»
Der Bieler Sportchef Martin Steinegger spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über die Gründe des Erfolges, junge Spieler und warum die Revanche gegen die ZSC Lions gelingt.
Der Bieler Sportchef Martin Steinegger spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über die Gründe des Erfolges, junge Spieler und warum die Revanche gegen die ZSC Lions gelingt.
Der EHC Biel wartet seit 40 Jahren auf einen Schweizer Meistertitel. In der abgelaufenen Qualifikation präsentierten sich die Seeländer so stark wie nie, nun setzten sie sich im Viertelfinal erstmals in einer Playoff-Serie gegen den SC Bern durch. Den vierten Sieg stellte Mike Künzle mit einem Tor 1,5 Sekunden vor Schluss zum 4:3 sicher.
Martin Steinegger, wie gross war die Erleichterung nach dem Herzschlag-Finale am Sonntag?
«Das Spiel war gar nichts für schwache Nerven. Für einen neutralen Fan gibt es wahrscheinlich nichts Schöneres, als wenn es Hin und Her geht. Aber als Direktbeteiligter flatterte das Herz, brauchte es wirklich viel Energie. Erleichterung ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, es war mehr ein Durchatmen, diese Hürde, die für uns eine riesige Herausforderung darstellte, genommen zu haben. Es war für uns als Organisation mit dieser Ausgangslage wichtig, Bern zu bezwingen. Eine Niederlage im Viertelfinal wäre schwierig gewesen, aus den Kleidern zu bringen. Das muss man ehrlich sagen.»
Sie haben die Qualifikation auf dem 2. Platz beendet, so gut wie nie seit Einführung der Playoffs in der Saison 1985/86. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, dass es bisher so gut läuft?
«Für mich sind drei Punkte für die starke Qualifikation ausschlaggebend. Erstens beklagten wir zwar Verletzungen und sogar nicht wenige, aber selten bis nie kumuliert. Zweitens mussten wir ganz wenige Vertragsgespräche führen, nicht wie in der vorangegangenen Saison im November und Dezember. Damals fielen wir dann in ein Loch. Es berührt die Spieler im Unterbewusstsein, wenn sie über ihre Zukunft nachdenken, Alternativen prüfen. Das absorbiert Energie. So fällten wir im letzten Jahr den Entscheid, während zwei Saisons zu versuchen, mit dieser Mannschaft zu spielen. Drittens legten wir eine gewisse Lernfähigkeit an den Tag, wir schafften es, nie mehr als drei, vier Partien hintereinander zu verlieren. Wir lernten aus der Vergangenheit.»
Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte, wenn sie ein Team zusammenstellen?
«Sicher die Positionen, und dann geht es in die Rollenverteilung. Als Beispiel: Wenn ich fünf Verteidiger mit dem Anspruch habe, die Nummer 1 oder 2 im Powerplay zu sein, und wir in diesem nur mit einem Verteidiger spielen, dann ist klar, dass drei immer geknickt sind. Von daher ist es für mich wichtig, die Rollen im Team so zu verteilen, dass ich weiss, dass die Spieler zufrieden sind, im Bewusstsein, dass dies nie bei allen der Fall sein wird und soll, da eine gewisse Reibung in der Mannschaft nötig ist. Dann muss der Charakter zum Team passen. Es wird immer die Frage bezüglich schwierigeren Spielern gestellt, solche haben wir nicht. Jeder, der bei uns spielt, ist sich bewusst, dass es ein Geben und Nehmen ist. Aber natürlich ist es ein steter Kampf, zudem kann nicht jeder Spieler gleich behandelt werden.»
In der Schweiz wird immer wieder die Diskussion geführt, dass junge Spieler mehr gefördert werden sollten. Sie haben sich nun entschieden, den Vertrag mit dem 40-jährigen Beat Forster um eine weitere Saison zu verlängern. Warum?
«Es war kein schwieriger Entscheid, aber wir haben aus verschiedenen Aspekten heraus länger überlegt. Es ist ein Fakt, dass man bei einem älteren Spieler nie weiss, wann es die berühmte Saison zu viel ist. Dann tust du niemandem einen Gefallen, schliesslich ist es normal, jemanden mit einem solchen Palmarès etwas anders zu behandeln. Deshalb muss man aufpassen, dass es nicht in Richtung Gefälligkeit geht. Auf der anderen Seite sollte nicht das Alter entscheidend sein, sondern die Leistungsfähigkeit, diese ist bei ihm absolut gegeben. Dazu kommt, dass er die Jungen besser macht. Er hilft ihnen, stabilisiert sie.»
Wie stehen Sie allgemein zur Thematik, dass im Vergleich zu Ländern wie Schweden oder Finnland deutlich weniger auf die Jungen gesetzt wird?
«Ich will dem nicht widersprechen, das ist auch bei uns sicher ein Punkt, über den wir mit unseren Coaches viel diskutieren. Einer der Gründe ist die enge Meisterschaft. Fribourg beispielsweise hat die Top 6 um zwei Punkte verpasst und ist danach in den Pre-Playoffs ausgeschieden. Passiert das einem selber und die Analyse ergibt, dass die Förderung junger Spieler den einen oder anderen Punkt gekostet hat, dann muss man damit intern und extern umgehen können. Es gilt zu unterscheiden zwischen Überfliegern und jenen Talenten, die etwas mehr Zeit brauchen. Bei diesen haben wir sicher die Verantwortung, jene Gefässe zu finden, die es ihnen ermöglichen, den letzten Schritt in der Entwicklung zu einem Spieler der National League zu machen. Tendenziell geht der Weg aktuell für viele Junge über die Swiss League. Wir haben jedoch ganz klar die Verantwortung gegenüber dem Schweizer Eishockey, aktiv nach Lösungen zu suchen und die Talente bestmöglich zu unterstützen. Deshalb haben wir Forster mit einem Anschlussvertrag ausgestattet, die Idee ist, dass er in diesem Bereich tätig sein wird.»
Der Gegner im Halbfinal sind die ZSC Lions, die vor einem Jahr im Viertelfinal nach einer 3:2-Führung nach Siegen Endstation bedeuteten. Was stimmt Sie positiv, dass die Revanche gelingt?
«(Lacht). Ich glaube, mental war die grosse Hürde der SC Bern. Das merkte man. Zwischendurch agierten wir verkrampfter als in der Qualifikation. Dieser Brocken ist nun weg, das wird Kräfte freisetzen und helfen, noch bestimmter unser Spiel umzusetzen. Zudem sind wir Stand heute fast vollzählig. Brunner wird zu Beginn sicher fehlen, aber es ist nicht unmöglich, dass er während der Serie zurückkommt. Nun gilt es, die Lernfähigkeit nochmals an den Tag zu legen.»
Der letzte Meistertitel liegt genau 40 Jahre zurück. Wie gross ist die Sehnsucht im Umfeld, dieser Durststrecke ein Ende zu setzen?
«Ich werde schon darauf angesprochen, aber es ist nicht so, dass die Sehnsucht unglaublich gross ist. Es ist ja nicht so, dass wir als engerer Meisterkandidat galten und gelten. Gäbe es nun eine Umfrage unter Experten, wer von den Halbfinalisten die grösste Chance auf den Titel hat, würden wir maximal als Nummer 3 gehandelt werden. Von daher haben wir nicht den Druck, Meister werden zu müssen. Aber es wäre natürlich eine schöne Geschichte und ein perfekter Zeitpunkt.»