Hinter Widmer und Rodriguez klafft eine Lücke
Für die WM hat Murat Yakin keine zusätzlichen Aussenverteidiger aufgeboten. Zum Auftakt der EM-Kampagne ist wieder Ersatz dabei. Alternativen hat der Schweizer Nationaltrainer jedoch nicht viele.
Für die WM hat Murat Yakin keine zusätzlichen Aussenverteidiger aufgeboten. Zum Auftakt der EM-Kampagne ist wieder Ersatz dabei. Alternativen hat der Schweizer Nationaltrainer jedoch nicht viele.
Silvan Widmer und Ricardo Rodriguez haben einige Gemeinsamkeiten. Sie spielen in ausländischen Topligen bei Teams im Tabellen-Mittelfeld – Widmer in Deutschland bei Mainz (9. Platz), Rodriguez in Italien bei Torino (11.). Ausserdem sind sie geachtete Leistungsträger, beide trugen in dieser Saison schon die Captain-Binde. Während Rodriguez regelmässig in der Startaufstellung steht, hat Widmer nach einer Verletzung seinen Stammplatz verloren und muss derzeit mit Teileinsätzen vorliebnehmen.
In der Nationalmannschaft sind sie auf den Abwehrseiten gesetzt. Trainer Murat Yakin vertraut den beiden so sehr, dass er für die WM in Katar darauf verzichtet hat, weitere gelernte Aussenverteidiger aufzubieten. Ein Entscheid, die ihm nach dem 1:6 im Achtelfinal gegen Portugal vorgehalten wurde. Vor diesem Spiel war Widmer krankheitshalber ausgefallen und hatte Yakin auf eine Dreierkette umgestellt. Das Experiment missglückte.
Die Position steht im Fokus – auch deshalb, weil Widmer und Rodriguez seit dem 5. März noch eine Gemeinsamkeit teilen: Sie sind beide 30-jährig. Ein Alter, in dem einige Fussballer zur Höchstform auflaufen. Aber auch ein Alter, bei dem das Ende der Karriere sichtbarer wird.
Schmids Glück, Lotombas Pech
Yakin hat reagiert und für den Beginn der EM-Kampagne wieder Alternativen für die Aussenverteidigung aufgeboten. Vorerst waren dies Dominik Schmid und Jordan Lotomba, zwei Spieler mit Jahrgang 1998, die sich aber erst noch beweisen müssen.
Schmid, der seine dritte Saison für GC bestreitet, hat sich zwar zum Leistungsträger und Anführer entwickelt, jedoch war das Zürcher Team in den beiden Saisons seit dem Aufstieg in die Super League 2021 höchstens mittelklassig. Daher fehlt Schmid nicht zuletzt die Erfahrung auf internationaler Ebene. Das erstmalige Aufgebot fürs Nationalteam kam selbst für ihn überraschend.
Lotomba gilt schon lange als Hoffnungsträger, fiel aber wiederholt mit unsteten Leistungen auf und wurde im Nationalteam auch schon aus disziplinarischen Gründen nicht berücksichtigt. Beim OGC Nice ist er ein fester Bestandteil der Stammelf und wäre der logische Widmer-Ersatz. Jedoch musste er Yakin wegen einer Verletzung absagen.
Der Trainer nominierte mit Michael Lang einen Spieler nach, der in der Nationalmannschaft zuletzt 2018 regelmässig zum Einsatz gekommen war und beim ersten Aufgebot nicht einmal auf der Pikett-Liste stand. Dank seiner Erfahrung kann Lang Widmer problemlos ersetzen, langfristig ist der 32-Jährige jedoch keine Option.
Es drängen sich kaum Spieler auf
Dass ein «Oldie» und ein Neuling als Ersatz für die Aussenverteidigung aufgeboten wurden, ist Beleg dafür, dass die Position wohl auch in Zukunft zu reden geben wird. Es mangelt an Alternativen.
Auf rechts käme noch Kevin Mbabu infrage. Der bald 28-Jährige muss sich jedoch nach dem missglückten Abstecher zum FC Fulham erst wieder zurückkämpfen. Im Februar wechselte er leihweise zu seinem Jugendverein Servette, bei dem er im letzten Spiel erst einen Penalty verursachte und später mit der zweiten Gelben Karte vom Platz flog. Silvan Hefti ist nach seinem Wechsel von YB zu Genua, das in die Serie B abgestiegen ist, etwas von der Bildfläche verschwunden. Zudem war der 25-Jährige zuletzt nicht mehr erste Wahl. Cédric Brunner spielt beim Bundesligisten Schalke zwar regelmässig, ist aber bereits 29 Jahre alt und hat noch nie ein Aufgebot für die Nationalmannschaft erhalten.
Auf links wäre Ulisses Garcia eine Option, doch der 27-jährige YB-Spieler konnte seine Chancen im Nationalteam (vier Einsätze unter Yakin) bisher nicht nutzen. Miro Muheim geht es ähnlich wie Hefti. Zwar hat sich der demnächst 25-Jährige nach seinem Abgang bei St. Gallen in Hamburg vom Leih- zum Stammspieler entwickelt. Da das Team aber nur in der zweithöchsten Liga spielt, fliegt er ebenfalls etwas unter dem Radar.
Die 21-jährigen Lewin Blum und Becir Omeragic – bei Zürich spielt er in der Dreierkette, in der U21 auch als Aussenverteidiger – sind Zukunftshoffnungen.
Flexible Spieler als mögliche Lösung
Möglich ist auch, dass Yakin dem missglückten Spiel gegen Portugal nicht zu viel Bedeutung beimisst und bei Bedarf erneut auf eine Dreierabwehr umstellt. Edimilson Fernandes wird bei Mainz regelmässig in der Dreierkette aufgestellt und erhält positive Kritiken. Sowieso sind flexibel einsetzbare Spieler, zu denen neben Fernandes auch Renato Steffen gehört, für den Trainer wertvoll.
Akute Gefahr herrscht also noch nicht in der Nationalmannschaft – zumindest solange Widmer und Rodriguez ihre gewohnten Leistungen abrufen. Jedoch hat die WM gezeigt, dass es angenehmer ist, bei Ausfällen nicht das ganze System auf den Kopf stellen zu müssen.