Desplanches wartet auf den richtigen Moment
Jérémy Desplanches hatte nach den Olympischen Spielen in Tokio Mühe, wieder in die Spur zu kommen. Er blickt aber optimistisch auf sein nächstes grosses Ziel, die Spiele 2024 in Paris.
Jérémy Desplanches hatte nach den Olympischen Spielen in Tokio Mühe, wieder in die Spur zu kommen. Er blickt aber optimistisch auf sein nächstes grosses Ziel, die Spiele 2024 in Paris.
Noch sei er weit von seiner Bestform entfernt, erklärte Desplanches im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA und vor den Schweizer Meisterschaften im grossen Becken in Genf. «Ich werde die Maschine im richtigen Moment wieder in Gang setzen müssen.»
Die Maschine geriet nach Tokio im vorletzten Sommer ins Stocken. «Die grosse Schwierigkeit ist, dass die Motivation nicht mehr die gleiche ist wie in der Vergangenheit. Ich habe mir schliesslich einen Traum erfüllt», spricht Desplanches über die Zeit nach dem olympischen Exploit über die 200 m Lagen.
«Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass ich danach nicht mehr die gleichen Spannung aufbauen konnte. Ich habe diesen Druckabbau nicht kommen sehen und musste eine neue Motivation finden», erklärt der Europameister von 2018, der sich entschieden hat, einen Psychologen als Unterstützung zu konsultieren. «Ich bin eine Person, die eher für sich ist, sei es im Wettkampf oder im Alltag. Die Probleme im letzten Jahr haben mich dazu bewogen, überall ein bisschen Hilfe und Unterstützung zu suchen. »
Das letzte Jahr von Desplanches wurde durch ein Corona-Erkrankung gestört und durch enttäuschende Resultate geprägt: ein frustrierender 4. Platz bei den Europameisterschaften in Rom und ein unbefriedigendes Halbfinal-Out bei den Weltmeisterschaften in Budapest. «Ich hatte nicht unbedingt das Bedürfnis zu reden. Aber da ich vor Problemen stand, die ich selber nicht zu lösen vermochte, habe ich mir gedacht, es könne nicht schaden, mit einem Psychologen zu reden.»
Anders motiviert als früher
«Nach den Olympischen Spielen 2016 war die Moral nur zwei Wochen lang etwas weniger gut. Nach Tokio war es schwieriger. Ich habe das Ziel meines Lebens erreicht, ich musste mich neu motivieren, ein neues Ziel finden. Es war schwierig, mir ein höheres Ziel zu setzen», führt er aus. «Der Jérémy Desplanches, der nach Tokio sagte, er denke schon an Paris, ist immer noch da. Ich sehe ihn jeden Tag im Spiegel. Ich habe immer noch Lust, mich zu verbessern, zu trainieren.»
Es sei aber schwieriger geworden am Beckenrand, «wenn ich mir sagen muss, dass ich mich plagen muss bis zur totalen Erschöpfung». «Und das Hunderte von Male bis zu den Olympischen Spielen in Paris», sagt Desplanches. «Die Motivation habe ich nie verloren. Ich wollte immer alles geben bis Paris.» Es sei aber schwierig, immer mit der gleichen Qualität zu trainieren.
«Ich lebe seit einiger Zeit mit einem inneren Konflikt. Die Motivation ist da, aber nicht mehr die gleiche. Ich hatte mir immer gesagt, ich werde bis zum Ende meiner Karriere, wahrscheinlich in Paris, bis in die Haarspitzen motiviert sein. Aber so einfach ist es nicht», gesteht der Blondschopf mit dem grossen Arbeitseifer.
Es geht für Desplanches nun darum, das Gleichgewicht zu finden. «Ich weiss, wie viel mir die letzte Olympiade gekostet hat, die wegen der Verschiebung der Spiele von Tokio fünf Jahre dauerte. Jetzt ist es ein Zyklus von drei Jahren. Ich muss mir Zeit nehmen. Ich muss Spass haben.»
Geduld bis zum Schlussspurt
Die Weltmeisterschaften in Fukuoka im Juli werden bloss eine Etappe auf dem Weg nach Paris sein. «Wenn ich im Wettkampfmodus bin für die Spiele 2024, weiss ich, dass es nur einige Monate geht, bis alles explodiert. Ich werde diese Phase mental nicht lange durchhalten.» Die olympische Medaille habe ihm mental und körperlich viel gekostet. «Ich habe mir etwas Unmenschliches aufgezwungen, um dieses Ziel zu erreichen. Es hat sich gelohnt, keine Frage», versichert er. «Aber jetzt weiss ich, dass ich im Hinblick auf Paris nichts überstürzen darf.»
Angst davor, ein schwieriges Jahr 2023 zu erleben, hat Desplanches nicht: «Mein bestes Leistungsniveau ist irgendwo da. Ich muss im richtigen Moment, die Maschine wieder in Betrieb nehmen, um es wieder zu finden.» Wenn die Maschine läuft, gibt es kein Zurück mehr. Deshalb ist Geduld gefragt, auf keinen Fall will Desplanches sich überfordern und «im Flug explodieren».
Was es bedeutet, wenn Desplanches zum Schlussspurt für Paris ansetzt? «Um die Maschine zu starten, muss ich sieben Stunden am Tag trainieren, jeden Tag ohne nachzulassen. Sieben Stunden, in denen ich jede Sekunde konzentriert sein muss. Es ist eine unglaubliche Überlastung, die ich mir im richtigen Moment zufügen muss.»