Regierungsbildung nach CDU-Sieg in Berlin noch offen
Nach dem deutlichen Sieg der Christdemokraten bei der Parlamentswahl in Berlin ist noch unklar, wer die deutsche Hauptstadt künftig regieren wird.
Nach dem deutlichen Sieg der Christdemokraten bei der Parlamentswahl in Berlin ist noch unklar, wer die deutsche Hauptstadt künftig regieren wird.
Die CDU beanspruchte am Abend den Regierungsauftrag. Die bisherige Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Linken hat aber trotz deutlicher Stimmenverluste weiter eine Mehrheit der Sitze im Abgeordnetenhaus, dem Berliner Landesparlament. Die CDU bräuchte die SPD oder die Grünen als Regierungspartner. Die Wahl war eine Wiederholung der wegen gravierender Unregelmässigkeiten für ungültig erklären Wahl vom September 2021.
In der deutschen Hauptstadt, mit ihren 3,8 Millionen Einwohnern ein eigenes Bundesland, stellt die SPD seit 2001 den Regierenden Bürgermeister beziehungsweise die Bürgermeisterin. Nun sind die Christdemokraten erstmals seit zwei Jahrzehnten stärkste Kraft geworden.
Den Hochrechnungen zufolge gewinnt die CDU bei der Wiederholungswahl fast zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 27,8 bis 28,1 Prozent (2021: 18,0 Prozent). Die Grünen landen bei 18,3 bis 18,7 Prozent (18,9). Die SPD liegt bei 18,2 bis 18,7 Prozent (21,4). Die Linke rutscht auf 12,1 bis 12,5 Prozent ab (14,1). Die rechtspopulistische AfD legt auf 9,0 bis 9,3 Prozent der Wählerstimmen zu (8,0). Die FDP verliert deutlich und scheitert mit 4,6 bis 4,8 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde (7,1) für den Wiedereinzug ins Parlament.
Die CDU käme demnach auf 42 bis 47 Sitze, die Grünen auf 28 bis 32 und die SPD auf 27 bis 32 Mandate. Die Linke würde 19 bis 21 Sitze erhalten, die AfD 14 bis 15.
Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag laut den Prognosen bei 63,5 bis 65,0 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt.
CDU-Spitzenkandidat Wegner sprach von einem «phänomenalen» Erfolg und sagte: «Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden.» Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: «Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert.»
Die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erkannte den CDU-Sieg an. Die Wähler wünschten sich, «dass Dinge anders werden». Ihr Ziel bleibe aber, an der Regierung zu bleiben. «Wenn wir eine Möglichkeit haben, ein Regierungsbündnis anzuführen unter SPD-Führung, dann werden wir auch versuchen, dafür eine stabile politische Mehrheit zu organisieren.»
Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach sich für eine Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken aus. «Die jetzige Regierungskoalition hat eine klare und stabile Mehrheit», sagte sie in der ARD.
Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot wäre eine Kampfansage an Wegner, der die CDU nun wieder nach vorn geführt hat. Der 50-Jährige ist gebürtiger Berliner, verheiratet, Vater dreier Kinder und lebt im Bezirk Spandau. Ausserhalb der Stadt ist der Hertha-BSC-Fan wenig bekannt.
Giffey punktete im Wahlkampf mit ihrem Amtsbonus kaum. Die 44-jährige SPD-Landeschefin, die in der DDR geboren wurde und in Brandenburg aufwuchs, war Bürgermeisterin im Bezirk Neukölln und stieg 2018 zur Bundesfamilienministerin auf. Wegen einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit trat Giffey im Mai 2021 aus dem Kabinett zurück.
Die 54-jährige Umweltsenatorin Jarasch hat – sollten die Grünen zweitstärkste Kraft werden – die Option, erste Grünen-Regierungschefin in Berlin zu werden und Giffey abzulösen. Die gebürtige Augsburgerin steht für eine Verkehrswende weg vom Verbrenner-Auto und eine Halbierung der Zahl der Parkplätze – was die politische Schnittmenge mit der CDU verkleinert.
Der Erfolg der Berliner CDU dürfte der Bundespartei und dem Vorsitzenden Friedrich Merz Auftrieb geben, denn in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern an. Für die SPD im Bund ist das Ergebnis ein Dämpfer, weil Giffey ihren Posten als Regierungschefin in Berlin verlieren könnte. Die Bundes-FDP muss verkraften, nach einer Reihe empfindlicher Wahlschlappen ein weiteres Mal aus einem Landesparlament zu fliegen.
Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte die Wahl vom September 2021 wegen «schwerer systemischer Mängel» für ungültig erklärt. In vielen Wahllokalen hatte es damals zu wenige oder die falschen Stimmzettel gegeben, oft mussten die Menschen stundenlang Schlange stehen. Die Stimmabgabe zog sich weit in den Abend hinein und wurde vielerorts auch nach der für 18.00 Uhr angesetzten Schliessung der Wahllokale und der Veröffentlichung der ersten Prognosen fortgesetzt.