Mehr als 1400 Tote und erneutes Beben in der Türkei
Bei der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind mindestens 1400 Menschen ums Leben gekommen. Tausende wurden verletzt.
Bei der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind mindestens 1400 Menschen ums Leben gekommen. Tausende wurden verletzt.
Ein erstes Beben der Stärke 7,7 erschütterte am frühen Montagmorgen die Südosttürkei. Am Mittag folgte dann eine fast ebenso schwere Erschütterung.
In der Türkei wurden bis zum späten Montagvormittag laut Präsident Recep Tayyip Erdogan mindestens 912 Opfer gezählt. Mehr als 5300 Menschen seien verletzt worden.
In Syrien stieg die Zahl der Toten auf mehr als 460 Tote. Rund 1600 Menschen seien verletzt, berichteten der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirijeh und die Hilfsorganisation SAMS, die in von Rebellen kontrollierten Gebieten des Landes arbeitet.
Das Epizentrum des ersten schweren Bebens lag nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Es gab eine grosse Zahl von Nachbeben. Regen, Schnee und Kälte erschwerten die Rettungseinsätze. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte zu, Deutschland werde selbstverständlich Hilfe schicken.
Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert die Entsendung von europäischen Rettungskräften in die Türkei. Erste Teams aus den Niederlanden und Rumänien seien bereits unterwegs, sagte der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic. In einer Stellungnahme sprachen der Slowene und der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell von einem der stärksten Beben seit mehr als 100 Jahren in der Region.
In Syrien stürzten der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge in zahlreichen Städten Gebäude ein. Rettungsteams versuchten in der Nacht und im Morgengrauen, Menschen aus den Trümmern zu ziehen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums sagte laut Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Präsident Baschar al-Assad rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.
Der Verlust von Menschenleben und die Zerstörung infolge des Erdbebens breche einem das Herz, schrieb der UN-Syrien-Vermittler Geir Pedersen auf Twitter. Viele Menschen in der Region litten ohnehin schon enorm und zudem sehr lange.
Unter den eingestürzten Gebäuden in der Türkei war neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. In der Stadt Gaziantep wurde laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu auch die Burg stark beschädigt. Sie ist ein Unesco-Weltkulturerbe.
Menschen in der Türkei wurden aufgerufen, wegen der Kommunikationsengpässe online zu telefonieren und nicht über das Handy-Netz, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können. Die Temperaturen in den betroffenen Gebieten liegen zurzeit oft im Minusbereich. An manchen Orten schneite es stark.
Im Staatssender TRT war zu sehen, wie Menschen bei Schnee etwa in der Stadt Iskenderun aus Trümmern befreit wurden.
Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizer, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.
Auch im Libanon, der an Syrien grenzt, war das Erdbeben zu spüren. In der Hauptstadt Beirut verliessen Anwohner teils fluchtartig ihre Häuser. Zu spüren war das Beben auch in Israel. Nach Angaben der israelischen Polizei gab es aber keine Verletzten oder Schäden.
Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet zu schicken – ebenso taten dies Finnland und Schweden trotz der türkischen Blockade ihrer Nato-Anträge. Auch Israel will der Türkei Hilfe leisten.
Die EU-Spitzen zeigten sich erschüttert. «Wir trauern mit den Familien der Opfer», schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. Sie sagte den Menschen in der Türkei und in Syrien Solidarität der EU zu. Unterstützung sei bereits auf dem Weg und man sei bereit, «weiterhin auf jede erdenkliche Weise zu helfen». Zuvor hatte das EU-Zentrum für Katastrophenhilfe bereits begonnen, die Entsendung europäischer Rettungskräfte in die Türkei zu koordinieren.
Ähnlich wie von der Leyen äusserten sich auch EU-Ratschef Charles Michel und die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola.
In Italien gab der Zivilschutz noch in der Nacht zu Montag eine Tsunami-Warnung aus, die wenige Stunden später zurückgenommen wurde. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf Twitter, die Nato-Partner der Türkei seien bereit, Unterstützung zu mobilisieren.
Das Auswärtige Amt in Berlin mahnte zur Vorsicht und riet, sich an die Anweisungen der örtlichen Behörden zu halten.
Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der grössten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der grösste Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.
Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17 000 Menschen das Leben. Für die grösste türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.