Novak Djokovic – Herr der Trophäen und Polemiken
Novak Djokovic ist wieder der aktuell beste Tennisspieler - und der beste der Geschichte? Die Zahlen sprechen für den Serben, die Herzen fliegen ihm aber nicht zu.
Novak Djokovic ist wieder der aktuell beste Tennisspieler - und der beste der Geschichte? Die Zahlen sprechen für den Serben, die Herzen fliegen ihm aber nicht zu.
Die Anweisung von Turnierdirektor Craig Tiley vor dem Start des Australian Open war klar und deutlich: Wer Novak Djokovic auspfeift, fliegt raus. Für Roger Federer oder Rafael Nadal war eine solche Vorsichtsmassnahme nie notwendig. Doch der beste Spieler der Gegenwart wird nicht geliebt, und das nagt an ihm.
Zwei Sachen sind Djokovic wichtig: Rekorde und die Liebe der Menschen. In der ersten Domäne ist er phänomenal erfolgreich. Am Sonntag holte er in Melbourne seinen 22. Grand-Slam-Titel und zog mit Nadal gleich. Im zweiten Bereich ist er ausserhalb des Balkans definitiv nicht Spitze.
«Es ist ein Fakt, dass ich in 90 Prozent der Fälle nicht nur gegen einen Kontrahenten, sondern auch gegen das Stadion spiele», sagte Djokovic einmal in Wimbledon. «Ich bin mich das gewöhnt, aber ich bin auch nur ein Mensch. Manchmal werde ich wütend, wenn man mich provoziert.» Dabei gäbe es eigentlich viele Gründe, den 35-jährigen Serben zumindest zu mögen.
Freundlich, sprachgewandt, witzig
Freundlich, eloquent, sprachgewandt, witzig, zugänglich. Djokovic parliert – ganz im Gegensatz zum 14-fachen French-Open-Champion Nadal – in Paris Französisch, in Rom Italienisch, ab und zu sogar etwas Deutsch, überall auf der Welt in hervorragendem Englisch. Er gibt sich Mühe, auf Gesprächspartner einzugehen, nach dem letzten Spiel des Jahres bei den ATP Finals in London beglückte er die Journalisten oft mit Schokolade – selbst, wenn er verloren hatte.
Über Djokovics Qualitäten als Athlet und Wettkämpfer braucht man sowieso nicht zu diskutieren, da gibt es selbst sportarten-übergreifend kaum einen Besseren. Aber: Während er auf dem Spielfeld in wichtigen Momenten kaum noch unerzwungene Fehler macht, begeht er solche im wahren Leben immer wieder. «Irgendwie scheinen sich diese Sachen in den letzten Jahren zu häufen», meinte er in Melbourne etwas ratlos.
Gut gemeint, schlecht angekommen
Bei Djokovic wenden sich vermeintlich positive Gesten (zu) oft ins Negative. Wenn er sich im Stadion in alle vier Richtungen wendet und symbolisch mit den Händen sein Herz ausschüttet, wirkt das irgendwie gekünstelt. Wenn er nach einem wichtigen Punkt seine Emotionen rausbrüllt, wirkt das nicht sympathisch kämpferisch, sondern martialisch. Wenn er für seine Berufskollegen während der Corona-Pause eine Spielmöglichkeit generieren will, artet das Ganze in einen Superspreader-Event aus.
Djokovic verweigert sich der Covid-19-Impfung und wird zur Ikone der Impfgegner. Er reist im Glauben, eine Ausnahmebewilligung erhalten zu haben, nach Australien und wird in einem eigentlichen Medien- und Justiz-Zirkus ausgeschafft. Man könnte seine Haltung als konsequent bewundern, für die meisten ist sie aber stur und unverständlich.
In Australien läuft es nun wirklich gut, der Serbe wird mehrheitlich freundlich oder zumindest respektvoll empfangen. Bis Vater Srdjan nichts besseres einfällt, als sich beim Jubel mit Fans, die Putin-Fahnen schwenken und Kriegsinsignien zur Schau tragen, filmen zu lassen. Diese Widerstände stacheln Djokovic nur noch mehr an, die Herzen der Öffentlichkeit öffnen sie ihm nicht.
Zu dominant, um geliebt zu werden?
Bezeichnend ist, dass er von Fans im Stadion selten mehr Liebe erhielt, als im US-Open-Final 2021, als er mit der Chance auf den Kalender-Grand-Slam – etwas, das weder Federer noch Nadal geschafft haben – für einmal mental einbrach und von Daniil Medwedew deklassiert wurde.
Es macht den Anschein, dass Djokovic nicht beides haben kann: Erfolg und Liebe. Bitter für ihn ist, dass Federer und Nadal genau das geschafft haben. Umso süsser muss es für ihn sein, den beiden Publikumslieblingen einen Rekord nach dem anderen zu entreissen.