Das Welttheater von Rimini Protokoll im Kunstmuseum Solothurn
Das Kunstmuseum Solothurn lädt zu einem ebenso hintergründigen wie lehrreichen Parcours an der Schnittstelle von Theater, Soziologie und Kunst. Gezeigt werden Installationen und Dokumentationen der Berliner Dokumentartheater-Pioniere ...
Das Kunstmuseum Solothurn lädt zu einem ebenso hintergründigen wie lehrreichen Parcours an der Schnittstelle von Theater, Soziologie und Kunst. Gezeigt werden Installationen und Dokumentationen der Berliner Dokumentartheater-Pioniere ...
Das Kunstmuseum Solothurn lädt zu einem ebenso hintergründigen wie lehrreichen Parcours an der Schnittstelle von Theater, Soziologie und Kunst. Gezeigt werden Installationen und Dokumentationen der Berliner Dokumentartheater-Pioniere Rimini Protokoll.
Der erste Ausstellungsraum wirkt sehr unaufgeräumt und zusammenhangslos. Beim Eingang stösst man auf ein Bett eines Militärlazaretts. Auf der anderen Seite des grossen Raums ist der Bürotisch eines Firmenchefs aufgestellt.
Und dazwischen befinden sich unter vielen anderen Möbeln und Requisiten eine beiläufig hingelegte Maschinenpistole, ein Sitzungstisch mit grossen Monitoren und ein Teilstück aus einem mexikanischen Friedhof mit drei Grabfeldern.
Diese Versatzstücke stehen nun aber durchaus in einem Zusammenhang. Es sind Teile des Multiplayer-Dokutheaterwalks «Situation Rooms», mit dem Rimini Protokoll ab 2013 die Zusammenhänge der wirtschaftlichen und letztlich tödlichen Kreisläufe von Waffen aufgezeigt haben. Das reicht dann vom Chefsessel eines nicht genannten Unternehmens in Oerlikon bis zum von Opfern des Drogenkriegs gesäumten Grab eines mexikanischen Drogenbarons.
Die Installation ist Zeugnis der einzigartigen Arbeitsweise von Rimini Protokoll, dessen Mitglieder mit Dokutheater-Projekten oder Kunstinstallationen den geschützen Raum der Kulturinstitutionen sprengen, nun in Solothurn aber wieder in den Kunstraum zurückkehren. Rimini Protokoll baut auf die in Berlin stationierte Kerntruppe von drei Künstlerinnen und Künstlern auf. Einer davon, Stefan Kaegi, ist gebürtiger Solothurner.
Berühmtheit erlangte Rimini Protokoll 2008, als das Kollektiv eine Hauptversammlung des deutschen Grosskonzerns Daimler zum Theaterprojekt erklärten. Das Publikum wurde eingeladen, sich mit dem Kauf einer Aktie Zutritt zur Versammlung zu verschaffen. In der Ausstellung zu sehen ist eine von 3sat gedrehte TV-Dokumentation der damaligen, zwar subversiven, letztlich aber nur in den Köpfen der Wirtschaftsbosse wirklich störenden Aktion.
Es sind stets höchst hintergründige und politische Arbeiten, die sich am Rand des Aktivismus bewegen. So zum Beispiel die Raumfüllende Installation «Evros Walk Water pt.1», die ein einstiges Konzert von John Cage in musikalisch untermalte Erzählungen von minderjährigen Flüchtlingen aus Pakistan überführt, die am türkisch-griechischen Grenzfluss Evros aufgegriffen wurden.
100 Prozent Solothurn
Eine weitere raumfüllende Präsentation trägt den Titel «100% Solothurn», was sie als installatives Zeugnis eines künstlerisch-soziologischen Forschungsprojekts auch sein will. Auf einem langen Tisch sind persönliche Objekte von 100 Solothurnerinnen und Solothurnern aufgereiht, die ein statistisches Spiegelbild der Einwohnerschaft der Stadt bilden.
«100% Solothurn» ist der lokale Teil einer Serie von statistischen Bevölkerungs-Bildnissen, die Rimini Protokoll in den unterschiedlichsten Städten der ganzen Welt zusammengetragen hat – von Tokio, über Melbourne bis nach Jakarta, Paris oder Berlin.
Auf dem Tisch finden nun über die gezeigten Objekte die unterschiedlichsten Charaktere zusammen, die Solothurn von einer anderen, sehr persönlichen Seite zeigen: Eine Nähmaschine steht neben einer Kasperlifigur, ein Trikot des FC Basel neben einer Spraydose, eine Barock-Perücke neben einem arg verwitterten Gartenzwerg.
Die Ausstellung Rimini Protokoll im Kunstmuseum Solothurn ist bis am 30. April zu sehen. Zum Projekt «100% Solothurn» erscheint eine gedruckte Dokumentation mit Porträts aller 100 Beteiligten.
Der Beitrag Das Welttheater von Rimini Protokoll im Kunstmuseum Solothurn erschien zuerst auf Hoefner Volksblatt und Marchanzeiger.