«Booze Culture» in London: Wie Alkohol Boris Johnson stürzen könnte
Die einen laden zum «Prosecco Tuesday», die anderen lassen die Woche beim «Wine-time Friday» ausklingen. Alkohol ist im Amtssitz des britischen Premierministers Boris Johnson offenbar mehr Alltag denn Ausnahme – das ...
Die einen laden zum «Prosecco Tuesday», die anderen lassen die Woche beim «Wine-time Friday» ausklingen. Alkohol ist im Amtssitz des britischen Premierministers Boris Johnson offenbar mehr Alltag denn Ausnahme – das ...
Die einen laden zum «Prosecco Tuesday», die anderen lassen die Woche beim «Wine-time Friday» ausklingen. Alkohol ist im Amtssitz des britischen Premierministers Boris Johnson offenbar mehr Alltag denn Ausnahme – das legen zahlreiche Medienberichte nahe, die Downing Street nicht dementiert. Diese «Booze Culture» – also «Saufkultur» – ist es, die den Regierungschef nun zu Fall bringen könnte. Denn auch während der Corona-Lockdowns, als strikte Abstandsregeln galten, trafen sich Mitarbeiter wiederholte Male zum geselligen Austausch inklusive Getränken zu Verabschiedungen, Weihnachtsfeiern oder im Garten des berühmten Anwesens «Number 10».
Mit Spannung wartet das Land derzeit auf das Ergebnis einer internen Untersuchung. Wird die Top-Beamtin Sue Gray, die die Ermittlungen führt, dem Premierminister persönlich Regelbrüche ankreiden – die zu seinem Rücktritt führen? Politische Kommentatoren sind uneins, wie weit sich Gray aus dem Fenster lehnen wird. Doch festzustehen scheint bereits, dass sie die «Booze Culture» in der Downing Street verdammen wird. Seit Tagen versprechen Spitzenpolitiker von Johnsons Konservativer Partei wie Generalsekretär Oliver Dowden, die Kultur im Regierungssitz komplett umzukrempeln. «Der Premierminister hat kein Alkoholproblem, aber »Number 10« hat eins», stellte die frühere Top-Beamtin Sonia Khan in der Zeitung «Guardian» fest.
Trinken nach Terminkalender, ein Weinschrank im Büro und flaschenweise Nachschub mit dem Rollkoffer: Die Berichte über Alkoholkonsum in der Downing Street sorgen landesweit für Spott und Empörung. Etwa 50 Mitarbeiter sollen regelmässig Erinnerungen an «Wine-time Fridays» (Wein-Freitage) als Termin in ihren elektronischen Kalendern gehabt haben, ein anderes Team lud zum «Prosecco-Dienstag». Im Dezember 2020 wurde gar ein 200 Pfund teurer Weinkühlschrank angeliefert. Mitarbeiter füllten den 34 Flaschen fassenden Behälter regelmässig beim nahe gelegenen Supermarkt auf – die Getränke schleppten sie mit einem Rollkoffer ins Gebäude.
Wiederholt sei bis tief in die Nacht gezecht worden, zitierte die Zeitung «The Times» einen Downing-Street-Insider. «Manche Leute haben ihren Kater im Gebäude auf Sofas ausgeschlafen, und morgens mussten die Reinigungskräfte leere Flaschen von den Schreibtischen klauben», hiess es weiter. Die «Booze Culture», so betonte die «Times», sei von ganz oben unterstützt worden. Johnson selbst habe wiederholt die Trinkenden ermutigt, «Dampf abzulassen», schrieb der «Mirror».
Alkohol spielt seit langem eine Rolle im politischen London. Johnsons Vorbild Winston Churchill war berühmt für seinen Konsum: Schon morgens trank der Premierminister und Weltkrieg-Gewinner einen Schuss Whisky mit Tonic. Aussenministerin Liz Truss, die als mögliche Nachfolgerin Johnsons gilt, lädt regelmässig wohlhabende Unterstützer zum «Fizz with Liz» mit perlenden Getränken. Politiker, Journalisten und Lobbyisten treffen sich zum Feierabend-Pint in Pubs wie dem «Red Lion». Eines der wichtigsten Tuschelthemen im «Bermuda-Dreieck von Westminster» zwischen Downing Street, Parlament und Ministerien: Wer hat wo mit wem getrunken?
Ähnliche Szenen lassen sich in vielen Hauptstädten beobachten. Auch in Deutschland spielt Alkohol eine wichtige Rolle in der Politik. Politischer Aschermittwoch, Starkbieranstich, Oktoberfest sind Pflichttermine für Politikerinnen und Politiker.
Doch die Lockdown-Partys in der Downing Street brechen die Toleranzgrenzen vieler Briten. Fast jeder kennt jemanden, der an Covid-19 starb. Millionen hielten sich monatelang an strikte Abstandsregeln. Dass diejenigen, die die Regeln machten, sich offenbar selbst nicht daran hielten, sondern sogar mit viel Alkohol feierten, nehmen ihnen viele Briten persönlich. Der Skandal hat Johnsons Umfragewerte in den Keller purzeln lassen.
Höhepunkt ist eine E-Mail seines Büroleiters Martin Reynolds vom 20. Mai 2020 an etwa 100 Kolleginnen und Kollegen. Die Mitarbeiter sollten doch «das Beste aus dem schönen Wetter machen» und sich nach Feierabend im Garten treffen, auf «Drinks mit Abstand». Legendär schon jetzt seine Aufforderung: «Bringt Euren eigenen Alkohol mit» (Bring your own booze). Wichtig für Johnsons Schicksal ist auch, ob er von dieser Einladung wusste und ob ihm, als er dazustiess, klar war, dass es eine Party war. Beides dementiert er strikt. Er habe gedacht, es handle sich um ein Arbeitstreffen, behauptet der Premier.
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